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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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nicht erlauben, sie stolz zurückzuweisen. Nahrung hielt ihn am Leben, und er wollte am Leben bleiben, auch wenn er nicht so recht wusste, warum eigentlich.
    Später an diesem Tag öffnete sich plötzlich die Zellentür, der Soldat mit dem grässlichen Akzent trat ein und befreite Dylan wortlos von seinen Fußfesseln. Er wartete erst gar nicht darauf, bis Dylan sich aufrappelte, sondern packte ihn grob am Kragen, zerrte ihn auf die Füße und drückte ihn einen Moment lang gegen die Wand, bis er halbwegs sicher auf den Beinen stand. Das linke wollte ihn noch nicht tragen, also humpelte er, von dem Soldaten gestützt, zur Tür hinaus.
    Er wurde den Gang entlanggeführt, vorbei an weiteren Zellen, dann ging es durch eine Tür am Ende einer Halle, die zu einem langen, schmalen, fensterlosen Raum führte. Eine Reihe Kerzen in Wandleuchtern spendeten ein schwaches Licht. Immer noch schweigend zerrte der Soldat ihn zu einem dicken Holzpfahl in der Mitte des Raumes. In ungefähr sieben Fuß Höhe war daran ein Eisenring angebracht. Der Soldat drehte Dylan mit dem Gesicht zum Pfahl, sodass er auf die Tür blicken konnte, dann löste er seine Handfesseln, zwang ihn, die Arme um das Holz zu legen, zog die Kette durch den Eisenring und ließ die Handschellen wieder um Dylans Handgelenk zuschnappen. Dylan stand mit über den Kopf erhobenen Armen da, während der Rotrock noch einmal den Sitz der Fesseln überprüfte und dann den Raum verließ.
    Dylans Herz hämmerte wie wild, verzweifelt kämpfte er seine aufsteigende Panik und das nagende Hungergefühl nieder, das ihn quälte. Jetzt galt es abzuwarten, auf der Hut zu sein und den ersten günstigen Moment zum Angriff zu nutzen.
    Bald hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Seine Arme schmerzten, seine Beine zitterten von der Anstrengung, sich aufrecht zu halten, um nicht an den Handgelenken zu baumeln. Er hakte die Finger durch das mittlere Glied der Kette seiner Handschellen, sodass der Eisenring und seine Arme einen Teil seines Gewichtes trugen. Endlich öffnete sich die Tür, und zwei Rotröcke betraten den Raum: Bedford und der Wachposten mit dem Cockneyakzent. Anscheinend taten nicht viele Dragoner in den Verliesen Dienst; Dylan hatte stets dieselben beiden Wächter dort gesehen. Bedfords Begleiter trug ein längliches Bündel bei sich, das er auf dem Tisch neben der Tür ablegte, dann nahm er Haltung an und blieb stocksteif vor dem Tisch stehen.
    Bedford wirkte entspannt und sichtlich mit sich zufrieden; seufzend blies er die Backen auf, während er seinen Gefangenen lange musterte. Entgegen aller Vernunft hoffte Dylan, dies möge alles bleiben, was er tat, aber natürlich wurde diese Hoffnung alsbald zunichte gemacht.
    Bedford holte tief Atem, ehe er verkündete: »Zunächst möchte ich eines klarstellen: Ich weiß, dass Ihr unschuldig seid.«
    Dylan kniff die Augen zusammen. Irgendwie beunruhigten ihn diese Worte weit mehr als alles, was der Sassunach sonst hätte sagen können. Wenn die Frage seiner Schuld oder Unschuld von Bedeutung wäre, wäre er nicht hier.
    Der Offizier fuhr fort: »Ihr seid hierher gebracht worden, weil Ihr vieles wisst, was ich wissen will. Und Ihr werdet mir entweder alles sagen, was ich hören will, oder in diesem Raum sterben.« Er sprach mit dem selbstsicheren Tonfall eines Menschen, der gewohnt ist, dass seinen Befehlen unverzüglich Folge geleistet wird.
    Dylan wollte etwas erwidern, wurde jedoch durch einen Hustenanfall daran gehindert. Mühsam stieß er hervor: »Ich weiß nichts. Null. Nada. Und selbst wenn ich etwas wüsste, wärt Ihr der Letzte, dem ich es verraten würde.«
    Bedford schnalzte mit der Zunge. »Wie überaus unhöflich von Euch. Ich sehe, wir werden Euch bessere Manieren beibringen müssen.« Er nickte dem Wachposten zu, der daraufhin um den Pfahl herumging und sich hinter Dylan stellte.
    Auf ein weiteres Nicken Bedfords hin löste er Dylans Gürtel, riss ihm feileadh mór vom Leib und warf beides hinter sich in die Ecke. Bedford warf ihm ein Messer zu, mit dem er Dylans Hemdrücken der Länge nach aufschlitzte, ihm das Kleidungsstück gleichfalls herunterriss und achtlos zu Boden fallen ließ; nun stand Dylan von den Knien aufwärts nackt vor seinen Peinigern.
    Er presste sein Gesicht gegen das abgewetzte Eichenholz und konzentrierte sich darauf, jegliches bewusste Denken abzuschalten. Wenn er nicht darauf achtete, was sie seinem Körper antaten, dann konnten sie seine Seele nicht verletzen; trotzdem zitterte er vor

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