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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Ion, findet Ihr nicht?« Wieder ertönte Gelächter, und Dylan musste an sich halten, um nicht mitzulachen.
    Erst jetzt schien es dem Steuereintreiber zu dämmern, dass seine Lage ernst zu werden drohte. Ein ängstlicher Ausdruck trat in seine Augen, er wich ein Stück zurück, doch sofort packte ihn einer der Viehtreiber am Hemd, und ein anderer setzte ihm einen Dolch an die Kehle. Der mit dem Krug in der Hand bellte: »Hier, Kerl, erinnere dich an deine Manieren und trink auf das Wohl von König James VIII.!«
    Der Mann versuchte sich loszureißen, doch seine Widersacher hielten ihn fest und zwangen ihn vor ihrem Wortführer in die Knie. Er wagte einen schwachen Protest, sah aber ein, dass er gegen diese Überzahl bis an die Zähne bewaffneter Gegner keine Chance hatte. »Nun mach schon«, befahl der MacDonald.
    »Auf das Wohl von James«, murmelte der Steuereintreiber nahezu unhörbar.
    »Seiner Majestät James VIII., unseres rechtmäßigen Königs«, wurde er prompt verbessert.
    »Auf das Wohl Seiner Majestät James VIII., unseres rechtmäßigen Königs.« Der Whig nahm mit zitternden Händen den Whiskykrug entgegen und nippte daran. Im selben Augenblick schnitt ihm der Mann mit dem Dolch mit einer blitzschnellen Bewegung ein Ohr ab. Der Whig schrie auf und presste eine Hand gegen die blutende Wunde. Dylan zuckte zusammen, doch dann dachte er daran, dass dieser dumme, eingebildete Fatzke Vertreter einer Regierung war, die Dylan ohne Grund ins Gefängnis geworfen und halb zu Tode hatte peitschen lassen; die wulstigen Narben auf seinem Rücken würden ihn sein Leben lang an dieses schreckliche Erlebnis erinnern. Tief in seinem Innern empfand er eine Art primitiver Genugtuung.
    Der Steuereintreiber stolperte davon, verfolgt von dem dröhnenden Gelächter seiner Peiniger. Einer von ihnen warf ihm das abgeschnittene Ohr hinterher. Dylan lachte zwar nicht, hegte aber auch kein Mitgefühl für den Mann. Er hoffte, der Whig würde diese Geschichte weitererzählen. Vielleicht lernten die Engländer dann, ihre schottischen Nachbarn mit etwas mehr Respekt zu behandeln.
    Dylan kehrte zu Robs Mannschaft zurück, die ein Stück abseits der Hauptstraße kampierte. Er überquerte ein abgemähtes Feld, kletterte über eine Mauer und gelangte auf das Feld, auf dem die inzwischen verkaufte Montrose-Herde gestanden hatte. Es war gleichfalls von niedrigen Stein-mäuerchen gesäumt, am Rand standen ein paar Bäume, darunter flackerte ein großes Feuer, von dem Rauchschwaden in die Baumkronen emporstiegen. Die Männer saßen um das Feuer herum und schnitten sich immer wieder Scheiben von dem gebratenen Hammel ab, der sich über den Flammen an einem Spieß drehte. Die meisten unterhielten sich angeregt miteinander, nur eine kleine Gruppe von Treibern hatte sich abgesondert und war in eine Schachpartie vertieft. Dylan zog Brigid aus seiner Gamasche, um sich gleichfalls ein Stück Fleisch abzuschneiden, und ließ sich an der Mauer nieder, um seine Mahlzeit in Ruhe zu verzehren. Dann wischte er seinen fettigen Dolch an seinem Kilt ab und schob ihn in die Gamasche zurück.
    Als die Unterhaltung einen Augenblick lang verstummte, sagte er laut in die Runde: »Ein paar Viehtreiber der MacDonalds haben oben an der Straße einem Steuereintreiber ein Ohr abgeschnitten.« Er schluckte den letzten Bissen hinunter, und jemand reichte ihm einen Becher Ale, den er mit einem Zug leerte.
    Die Nachricht von dem abgeschnittenen Ohr wurde mit freudiger Begeisterung aufgenommen. Seamus fragte neugierig: »Hat er ordentlich geblutet?«
    Dylan nickte. »Wie ein abgestochenes Schwein. Hat auch genauso gequiekt.«
    Die MacGregors lachten schallend und sparten nicht mit höhnischen Bemerkungen über feige, weibische Tiefländer. Rob wandte sich an Dylan. »Lebt der Kerl noch?«
    Wieder nickte Dylan. »Ja, sie haben ihn laufen lassen.« Er wischte sich mit seinem Ärmel den Mund ab.
    Murchadh kam über die Mauer geklettert, gefolgt von einer jungen Frau in bunten Kleidern. Augenblicklich verstummten die Männer. »Wer ist der Nächste?«, brüllte Murchadh, deutete auf Rob und grinste. »Ich meine natürlich nur diejenigen, die keine Frau haben.« Rob kicherte in sein Ale, sagte aber nichts.
    Die Frau blickte sich nach dem nächsten Kunden um, und als niemand Anstalten machte, mit ihr zu gehen, gab sie ein unwilliges Knurren von sich und stampfte mit dem Fuß auf. Die Münzen, die sie in einer Börse unter ihrem Rock verborgen hatte, klirrten leise. Dylan

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