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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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benutzt«, versicherte Seamus ihm ernsthaft.
    Dylan schnippte das Kondom in seine Richtung und wischte sich mit dem Ärmel über die Wange. »Danke. Nett von dir, dass du so um mich besorgt bist, aber ich muss leider ablehnen.« Es fiel ihm zunehmend schwerer, das Gekicher der anderen zu ignorieren.
    Das Mädchen verzog enttäuscht das Gesicht, dann lächelte es ihn plötzlich an und entblößte dabei ein noch fast vollständiges Gebiss. Dylan wusste inzwischen, dass das eine Seltenheit war; die meisten Menschen jenseits der dreißig hatten in diesem Jahrhundert kaum noch einen Zahn im Mund. Unwillkürlich erwiderte er das Lächeln, woraufhin sie ihm kichernd eine Hand auf den Oberschenkel legte. Dylan stöhnte leise auf und versuchte, nicht daran zu denken, dass er vor sechs Monaten zum letzten Mal mit einer Frau geschlafen hatte - und davor ebenfalls sieben Monate abstinent gelebt hatte, während er auf Cait wartete.
    Plötzlich griff die Hure unter seinen Kilt und begann das, was sie dort vorfand, sachte zu kneten. Er wollte zurückweichen, lehnte aber schon mit dem Rücken an der Mauer. Die Augen des Mädchens wurden groß, und ihre Lippen formten ein rundes O. »Eine hübsche Hand voll, würde ich sagen!«
    Diese Bemerkung gab den Ausschlag. Dylan fing an, sich zu ärgern, und das letzte bisschen Interesse an der Hure erlosch.
    Irgendwo in der Nähe quietschte Sinann vor Lachen.
    Es kostete Dylan einige Mühe, mit ruhiger, unbeteiligter Stimme zu sprechen. »Lass mich in Ruhe!« Doch sie drückte nur noch fester zu, und ihr Daumen fand eine Stelle, die seinen Widerstand beinahe zum Erliegen brachte.
    Es war an der Zeit, der Sache ein Ende zu machen. Er griff unter seinen Kilt, packte ihre Hand und drückte sie so fest, dass das Mädchen zu wimmern begann, dann fuhr er sie an: »Verstehst du die Bedeutung des Wortes >Nein< nicht?«
    Angewidert stieß er ihre Hand weg und zupfte unter dem dröhnenden Gelächter der anderen seinen Kilt zurecht. Das Mädchen sprang auf und ergriff die Flucht, wobei sie lauthals über wahnsinnige schottische Grobiane schimpfte.
    Seamus brüllte ihr nach: »Nimm's nicht persönlich, Herzchen, der Junge ist einfach nur verliebt, weiter nichts. Das geht vorbei.« Er zwinkerte Dylan zu, der nur unwillig die Lippen verzog und dann die Augen schloss, um zu warten, bis sich seine Erregung wieder gelegt hatte.
    Am nächsten Abend, dem letzten, den sie in Crieff verbrachten, spendierte Rob ein kleines Fass Whisky und zog mit seinen Männern in die Stadt, wo auf dem Marktplatz ein großes steinernes Kreuz stand. Die Männer bildeten einen Kreis darum, Rob zog den Spundzapfen aus dem Fässchen und füllte eine Anzahl hölzerner Becher. Eine Art Festtagsstimmung lag in der Luft, zahlreiche Fackeln erleuchteten den Platz und warfen gespenstisch tanzende Schatten an die Mauern der umliegenden Gebäude. Als die Kirchenglocke Mitternacht schlug, hob Rob seinen Becher und rief laut: »Auf das Wohl seiner Majestät, König James VIII.!« Damit hatte er Hochverrat begangen; ein Verbrechen, das mit dem Tod durch den Strang bestraft wurde. Dennoch hoben alle Männer gleichfalls ihre Becher und tranken.
    Ein anderer trat vor. »Tod für Montrose!« Beifall brandete auf, weitere Toasts folgten, und irgendwo stimmte ein Dudelsack eine wehmütige Weise an. »Auf Iain Glas of Breadalbane!«, brüllte ein anderer MacGregor. Der Jubel und das Gelächter wurden mit jedem Trinkspruch lauter. Schließlich schrie auch Dylan aus vollem Halse: »Zur Hölle mit jedem Engländer nördlich des Grenzgebietes!« Die Männer bekundeten begeistert ihre Zustimmung und tranken ihm zu. Dylan wusste, dass sie allesamt für das, was sie hier taten, an den Galgen kommen konnten. Er wusste auch, dass die Hinrichtung unverzüglich vollstreckt werden würde, wenn man sie erwischte. Aber er hatte inzwischen erfahren müssen, dass es Schlimmeres gab als den Tod. Abgesehen davon hatte er in diesem Jahr schon mehrere Delikte begangen, auf die die Todesstrafe stand, auf eines mehr oder weniger kam es da nicht mehr an. Außerdem mussten sie ihn erst einmal fangen, ehe sie ihn hängen konnten.
    Etwas später gesellten sich noch Viehtreiber anderer Clans zu ihnen; der Platz wimmelte jetzt von Menschen. Bewohner der umliegenden Häuser lehnten sich aus ihren Fenstern und brüllten, sie sollten endlich Ruhe geben, aber niemand achtete auf sie. Der Whisky floss in Strömen, die Trinksprüche wurden immer gewagter und die Männer immer

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