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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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erwiderte Dylan lakonisch. Er war so wütend auf Sinann, die es nicht für nötig gehalten hatte, ihn vor den Soldaten zu warnen, dass er keinen Wert auf eine Unterhaltung legte. Er wollte nur der Fee rasch und gründlich die Meinung sagen, was allerdings in Alasdairs Gegenwart schlecht möglich war. Außerdem wusste er nicht, wo Sinann steckte. Vermutlich ließ sie sich nicht blicken, um der Strafpredigt zu entgehen, die sie erwartete.
    Alasdair fuhr fort: »Eine merkwürdige Art zu kämpfen ist das. Ähnelt der der Franzosen, aber nur oberflächlich. Wo hast du das gelernt?«
    Das Thema behagte Dylan nicht. Es konnte dazu führen, dass Erklärungen von ihm verlangt wurden, die er nicht geben konnte. Dennoch erwiderte er: »In den Kolonien. Aber eigentlich kommt diese Kampftechnik aus Westindien. Ich habe mich fast mein ganzes Leben lang damit beschäftigt.«
    Alasdair grunzte verständnisvoll. Nach einer kleinen Pause bemerkte er: »Mir ist aufgefallen, wie glühend du die Engländer hasst. Eigentlich ungewöhnlich für einen Kolonialisten. Deine Familie dürften sie ja schwerlich ausgelöscht haben, so wie viele der unseren.«
    Dylan zögerte, dann schlang er sein Plaid enger um sich und entgegnete leise: »Wenn sie nicht gewesen wären, hätte ich heute eine eigene Familie. Ich wollte heiraten, aber kurz vor der Hochzeit wurde ich verhaftet.« Erinnerungen an den letzten Frühling stiegen in ihm auf. Unwillig schüttelte er den Kopf. »Sie hieß Caitrionagh. Ich hätte mein Leben für sie gegeben.«
    Alasdairs Stimme wurde weich. »Ist sie tot?«
    »Nein. Nach meiner Verhaftung hat ihr Vater sie mit einem anderen verheiratet.«
    »Weiß sie, wo du bist?«
    »Nein.«
    »Glaubst du, sie denkt noch an dich?«
    Dylan ließ sich mit der Antwort lange Zeit. Schließlich sagte er: »Das hoffe ich jedenfalls.«
    Im Oktober wurde die Herde, die sie im Sommer von Montroses Landgut gestohlen hatten, nach Crieff getrieben. Dort wurde Vieh aus dem gesamten Tiefland und dem südlichen Hochland auf dem Markt feilgeboten. Als Dylan die kleine, von Viehtreibern, Rindern und Soldaten des Königs wimmelnde Stadt sah, fühlte er sich in einen der Western versetzt, die er als Kind so gerne gesehen hatte. Nur übten die Treiber hier ihren Job nicht zu Pferde aus; viele trugen einen Kilt statt Lederhosen, und es wurde ein wirres Gemisch aus Gälisch, Tieflandschottisch, Französisch und Englisch gesprochen.
    Die königlichen Truppen schienen allgegenwärtig zu sein. Dylan bekam eine Gänsehaut, als er die zahlreichen Rotröcke bemerkte, die ihre Nase in alles steckten, was sie nichts anging. Er ging ihnen aus dem Weg, so gut er konnte, und betete insgeheim, er möge nicht zufällig auf einen treffen, der ihn vom Norden her kannte.
    Kurz nach ihrer Ankunft saß er mit Seamus müßig auf einer niedrigen Steinmauer, die entlang der direkt in den Stadtkern führenden schmalen Hauptstraße verlief. Dylan brach kleine Stücke aus dem bröckeligen Mauerwerk und versuchte, damit zu jonglieren, bewies dabei aber wenig Geschick, denn immer wieder fielen ihm die Steine zu Boden. Geduldig hob er sie jedes Mal wieder auf und versuchte es aufs Neue. Plötzlich sah er einen Trupp Rotröcke in der Ferne, ließ die Steine hastig fallen und senkte den Blick.
    Als die Soldaten an ihnen vorbeikamen, begrüßte Seamus sie mit einem breiten Grinsen und einer gälischen Obszönität, die sie veranlasste, stehen zu bleiben und den unverschämten Schotten finster zu mustern. Dylans erster Impuls war, Seamus den Hals umzudrehen, sein zweiter, unverzüglich das Weite zu suchen, doch er blieb sitzen. Lieber ließ er es auf eine Auseinandersetzung ankommen als auf eine neuerliche Hetzjagd.
    »Wie ist dein Name?«, fuhr einer der Soldaten Seamus an.
    Immer noch grinsend erwiderte dieser: »Ich gehöre zum Clan Murray, wenn Ihr nichts dagegen habt. Und wenn doch, kann ich's auch nicht ändern.« Dylan warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Wenigstens war er so schlau gewesen, nicht seinen richtigen Namen zu nennen. Seamus war ein MacGregor, aber seit zweihundert Jahren hatte niemand mehr südlich der Hochlandgrenze diesen Namen benutzt - seit seine Träger im sechzehnten Jahrhundert wegen einer gestohlenen Kuh von der Krone für vogelfrei erklärt worden waren. Rob selbst nannte sich Campbell, das war der Mädchenname seiner Mutter, und sogar die Clansoberhäupter bedienten sich im Umgang mit Fremden verschiedener Decknamen.
    Der Soldat wandte sich an Dylan. »Und

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