Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
Vom Netzwerk:
seine sechs Pence pro Tag und sah im Übrigen ohne großes Interesse zu, wie sich rings um ihn herum der nächste Aufstand anbahnte.
    Des Nachts wurde viel über den »hergelaufenen Deutschem gesprochen, der den englischen Thron für sich beanspruchte, obwohl er kein Wort Englisch sprach und keine Ahnung von den Problemen hatte, die zwischen den Schotten und ihren Nachbarn im Süden herrschten. Seine Ratgeber dachten gar nicht daran, ihn über diese Missstände aufzuklären, und zu den Beratungen wurde niemand zugelassen, der sich auch nur annähernd jakobitischer Sympathien verdächtig gemacht hatte. So war es nicht weiter verwunderlich, dass die Unzufriedenheit im Lande wuchs.
    Später in diesem Sommer zog Dylan mit Alasdair Roy los, um von einigen besonders zahlungsunwilligen Kunden in der Nähe von Kingshouse die fälligen Schutzgelder einzutreiben. Alasdairs Aufgabe bestand darin, die Leute zu überreden, freiwillig zu zahlen; Dylan gab ihm für den Fall heftigen Widerstands die nötige Rückendeckung. Rob hatte für dieses Unternehmen bewusst nur zwei Männer losgeschickt, sie sollten den Eindruck erwecken, in friedlicher Absicht gekommen zu sein. Die Fantasie der zahlungspflichtigen Viehbesitzer erledigte den Rest, denn während der Verhandlungen pflegten sie sich stets ängstlich nach allen Seiten umzublicken, um festzustellen, wo der Rest von Robs Männern steckte. Dylan stand stets ein Stück hinter Alasdair und starrte so unbeteiligt zu Boden, als schenke er seiner Umgebung keine große Beachtung.
    Dies erweckte bei dem Schuldner den Eindruck, als fühle er sich vollkommen sicher, und verstärkte seine Überzeugung, dass sich noch mehr von Robs Männern - wie viele, konnten sie nur schätzen - ganz in der Nähe hinter Bäumen oder Felsen versteckten. Also zahlte ein jeder ohne Widerstand, und zwei Tage verstrichen ohne besondere Zwischenfälle.
    Am dritten Tag aber wurden Dylan und Alasdair überrumpelt. Sie durchquerten gerade die Sohle eines Tales nahe Kingshouse, und als sie einen der riesigen Felsbrocken umrundeten, die in dieser Gegend überall zu finden waren, wurden sie von zwei englischen Kavalleristen empfangen, die sie aufforderten, stehen zu bleiben und die Waffen fallen zu lassen. »Alasdair Roy!«, schrie einer von ihnen triumphierend.
    Fluchend griff Alasdair nach seinen Pistolen, hielt aber mitten in der Bewegung inne, als beide Soldaten ihre Gewehre hoben. Auf diese Distanz konnten sie ihr Ziel gar nicht verfehlen. Die Soldaten grinsten; Alasdair wurde blass vor Zorn.
    Dylan erstarrte. Lebendig sollten ihn die Rotröcke nicht noch einmal zu fassen bekommen! Ohne nachzudenken, wirbelte er herum, sprang in die Höhe und versetzte dem ihm am nächsten stehenden Pferd einen Tritt gegen die Nüstern. Das erschrockene Tier wieherte laut, bäumte sich auf und tänzelte dann ein paar Schritte nach hinten. Die genauso erschrockenen Soldaten, die keine Ahnung hatten, was gerade geschehen war, drückten beide gleichzeitig ab. Eine Kugel verfehlte ihr Ziel, die andere streifte Dylans Ärmel und schlug, eine kleine Staubwolke aufwirbelnd, hinter ihm in den Boden ein.
    Die Soldaten warfen sich ihre unbrauchbar gewordenen Musketen über die Schulter und zogen die Schwerter, Dylan und Alasdair hatten sich jedoch bereits zur Flucht gewandt. Sie kletterten den steilen, zerklüfteten Nordhang des Tales empor. Da die englischen Pferde in diesem Gelände nicht sicher gingen, mussten die Soldaten absitzen und die Verfolgung zu Fuß aufnehmen. Doch Rob Roys Männer kannten sich in dieser Gegend aus und waren im Gegensatz zu den Engländern in ausgezeichneter körperlicher Verfassung. Einer der Rotröcke blieb stehen, um seine Muskete nachzuladen, doch als er endlich einen zweiten Schuss abgab, hatten sich die beiden Schotten schon hinter einem Findling in Sicherheit gebracht und verschwanden in dem dahinter liegenden kleinen Wäldchen.
    Erst nach einigen Meilen verlangsamten sie ihr wildes Tempo. Sie befanden sich bereits auf dem Gebiet von Iain Glas, das an Glen Dochart angrenzte, also beschlossen sie, hier zu übernachten und am nächsten Morgen nach Hause zurückzukehren.
    Auf einem Fleckchen Heidekraut zwischen zwei Felsbrocken wickelten sie sich in ihre Plaids und legten sich zum Schlafen nieder. Während ihrer überstürzten Flucht hatten sie kein Wort miteinander gewechselt, doch gerade als Dylan in den Schlaf hinüberglitt, murmelte Alasdair: »Das war ein genialer Schachzug von dir, Kamerad.«
    »Aye«,

Weitere Kostenlose Bücher