Vogelfrei
wie heißt du?«
Dylan hob den Blick und sah dem Rotrock in die Augen. Nachdem er sich geräuspert hatte, sagte er fest: »Dilean Mac a'Chlaidheimh.«
Das löste bei den Engländern sichtliche Verwirrung aus, und ihr Wortführer meinte schließlich: »Von dem Clan hab' ich noch nie gehört.« Er wandte sich an seine Kameraden.
»Vermehren sich wie die Ratten, die Kerle. Jetzt müssen sie schon neue Clans gründen.« Die anderen Soldaten lachten, dann ermahnte der Wortführer Dylan: »Also benehmt euch anständig, solange ihr hier seid, und zollt den Beamten der Krone gefälligst angemessenen Respekt.«
Seamus' Grinsen wurde noch eine Spur breiter, und er nickte. »Das haben wir ja eben getan.«
Die Rotröcke setzten ihren Weg fort. Sobald sie außer Sicht waren, versetzte Dylan Seamus einen kräftigen Rippenstoß, doch der lachte nur und rieb sich die Seite.
Als das Vieh verkauft war und die Treiber ihren Lohn erhalten hatten, nutzte Dylan seinen Aufenthalt in der Stadt, um sich einen neuen Mantel zu kaufen. Das verhasste Rüschenhemd hatte er schon vor Monaten durch ein anderes ersetzt; den Stoff des englischen Hemdes hatte Mary MacGregor dunkelgrün gefärbt und ihm daraus ein Stirnband und einen neuen Geldbeutel genäht. Sein neuer Mantel war aus Schaffell gefertigt und kostete ihn weniger, als er für seinen alten Wollmantel bezahlt hatte, da Leder zu dieser Zeit nicht in Mode war. Für einen gut geschnittenen Wollmantel hätte er doppelt so viel zahlen müssen wie für den viel wärmeren Schaffellmantel.
Da er einmal dabei war, ersetzte er auch gleich seine alten, blutverkrusteten und durchlöcherten Gamaschen durch ein neues, wärmeres Paar, das ihm auch viel besser passte als die Gamaschen des bedauernswerten Alasdair Matheson. Seine Schuhe konnte er wohl noch eine Weile tragen, auch wenn die Gummisohlen schon reichlich dünn und die Einlagen durchgelaufen waren. Aber einen Winter würden sie es noch tun, dann würde er ein Paar zeitgemäßer Schuhe erstehen, die ganz aus Leder gemacht waren und ein wenig an Mokassins erinnerten. Zwar freute er sich nicht gerade darauf, Schuhe ohne Einlagen tragen zu müssen, aber ihm blieb keine andere Wahl.
Auf dem Rückweg zu dem abgemähten Feld, wo seine Kameraden ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, kam er an einer hohen Steinmauer vorbei. Dahinter erklangen raue Männerstimmen, daher nahm er an, dass dort ein Hahnenkampf stattfand. In dieser Woche hatte er schon zweimal bei einer solchen Veranstaltung zugeschaut, den Anblick der sich gegenseitig in Fetzen reißenden Tiere jedoch eher abstoßend gefunden.
Doch was er hier hörte, klang nicht nach der ausgelassenen Fröhlichkeit von Männern, die ihre sauer verdienten Pennys auf irgendwelche Vögel setzten, sondern eher nach einem handfesten Streit. Dylan konnte nicht widerstehen und spähte vorsichtig über die Mauer. Dort ließ eine Gruppe Schotten im Kilt, die, wie er wusste, zum Clan MacDonald gehörten, einen Whiskykrug kreisen und schien sich mit einem Mann in Kniebundhosen, der Englisch mit Tieflandakzent sprach, einen üblen Schabernack zu erlauben. Dylan standen die Haare zu Berge, als er diese Sprache hörte, die ihn immer an seine schrecklichen Erlebnisse in Fort William denken ließ.
Der Tiefländer richtete sich zu seiner vollen Größe auf und befahl mit so viel Würde, wie er aufzubringen vermochte: »Und Ihr werdet mir auch diesen Krug dort aushändigen!«
Das rief wiederum schallendes Gelächter seitens der Viehtreiber hervor. Einer von ihnen, dessen Stimme man bereits den allzu reichlich konsumierten Whisky deutlich anhörte, nuschelte: »Weil dieser hergelaufene Deutsche Geld braucht? Wie kommen wir dazu, diesem verdammten Ausländer die Taschen zu füllen?« Dylan vermutete, dass der Tiefländer ein Steuereintreiber war; ein Vorläufer der späteren Zollbeamten, der versuchte, die auf einen Krug Whisky erhobene Steuer zu kassieren. Der MacDonald fuhr fort: »Wahrscheinlich wird es seine zarten Gefühle für uns verletzen, dass wir uns weigern, für unseren eigenen Whisky Steuern zu bezahlen.«
Einer der Männer reichte dem Sprecher den Krug, und dieser nahm einen kräftigen Schluck. Dann wandte er sich an seine Kameraden. »Wisst ihr, was ich denke, Freunde? Ich denke, dieser Whig hier ist ein ausgesprochen unhöflicher Geselle. Er hat es versäumt, auf das Wohl unseres rechtmäßigen Königs zu trinken.« Er beugte sich vor zu dem Tiefländer. »Ein schwerer Verstoß gegen die guten Sit-
Weitere Kostenlose Bücher