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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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erstaunlicher Leichtigkeit. Dylan grinste. Es tat ihm gut, sich statt mit seinen Schülern einmal mit einem erfahrenen Gegner zu messen. Er führte weit ausholende, harte Hiebe gegen Bedford. Da er mit dessen Tempo nicht mithalten konnte, zielte er darauf, den Yankee zu ermüden. Der Plan ging auf; Bedford zeigte erste Schwächen. Er wich zurück und parierte Dylans Angriffe mit zusammengepressten Lippen. Dylan suchte nach einer Lücke in seiner Deckung, fand aber keine, deshalb sprang er zur Seite und umkreiste den Gegner lauernd.
    Bedford lachte schallend auf. »Elender kleiner Hinterwäldler!«, brüllte er spöttisch.
    Dylan jedoch fiel auf den Trick nicht herein, die erwartete Attacke blieb aus. Das brachte Bedford aus der Fassung. Unsicher sah er sich um, dann unternahm er einen neuerlichen halbherzigen Angriff. Dylan parierte und holte zu einem seitlichen Hieb aus, der Bedford am Brustkorb traf.
    »Treffer!«
    Bedford taumelte zur Seite, holte ein paarmal tief Atem und rief dann lachend: »Okay, Treffer! Ich gebe mich geschlagen!«
    Die Zuschauer spendeten den Kämpfern, die sich vor ihnen verbeugten, donnernden Applaus. Dylan und Bedford salutierten mit ihren Schwertern, reichten sich die Hände und verließen dann gemeinsam das Feld. Dylan schob sein Schwert in die Scheide, nahm das Wehrgehänge von seiner Schulter und reichte beides an Ronnie weiter, der sofort damit zum Auto laufen wollte. »Hey, Ron!« Sein Assistent drehte sich um, und Dylan warf ihm die Wagenschlüssel zu. »Der Jeep ist abgeschlossen!
    Das war ein guter Kampf«, sagte er dann zu Bedford. Plötzlich bemerkte er, dass der Yankee sich die Seite hielt. »Habe ich Sie etwa erwischt?«
    Bedford zuckte mit den Achseln. »Sie haben bloß mein Hemd aufgeschlitzt, vielleicht hab ich auch noch einen kleinen Kratzer abgekriegt. Halb so schlimm.« Er zeigte Dylan das Loch in seinem Hemd und die dünne rote Wunde darunter.
    »Tut mir wirklich Leid.«
    Wieder zuckte Bedford mit den Achseln. »So was kann vorkommen. Sie haben gewonnen, und somit haben Sie jetzt das Recht, unser Familienerbstück zu entweihen.« Er zwinkerte Dylan zu und grinste breit, als er den Glasdeckel hochhob.
    Geradezu ehrfürchtig schloss Dylan beide Hände um das Heft der historischen Waffe und hob sie aus dem Kasten. Obwohl das Schwert so lang war, wog es nicht viel, ließ sich leicht mit zwei Händen handhaben und war hervorragend ausbalanciert. Es fühlte sich seltsam warm an. Ein Schauer lief Dylan über den Rücken, als sich das Sonnenlicht in der Klinge fing. Seine Hände begannen zu kribbeln, das Heft wurde wärmer und wärmer, bis er gezwungen war, das Schwert wieder in seinen Kasten zurückzulegen. Verwirrt starrte er auf seine immer noch brennenden Hände.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Cody.
    »Ich weiß es nicht.« Die Hitze in seinen Handflächen wurde immer stärker, obwohl er das Schwert weggelegt hatte. Seine Haut begann zu prickeln. Dylan schüttelte sich, aber das Prickeln blieb. Allmählich bekam er es mit der Angst zu tun. Er blickte sich um: Alle Umstehenden starrten ihn besorgt an.
    »Bist du okay?« Cody legte ihm eine Hand auf den Arm, aber er schüttelte sie ab. Irgendetwas stimmte mit ihm ganz und gar nicht, aber er wollte nicht, dass die anderen das merkten.
    Sein Herz hämmerte ihm bis zum Hals, als die Welt um ihn herum plötzlich schwarz wurde. Er kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben, versuchte, sich auf die Gesichter der anderen zu konzentrieren, aber es half nichts. Alles begann sich um ihn herum zu drehen, und als er sich an irgendjemandem festhalten wollte, griff er ins Nichts.
    Doch die Welt materialisierte fast ebenso schnell wieder, wie sie verschwunden war. Zu seiner größten Überraschung stand Dylan immer noch auf seinen beiden Beinen, doch als er wieder klar sehen konnte, stellte er fest, dass die Nachmittagssonne inzwischen untergegangen und die Luft merklich kühler geworden war. Er zwinkerte ungläubig, doch die Dämmerung blieb. Die Menge war verschwunden; tiefe Stille herrschte jetzt im Park. Er stand auf einer Rasenfläche, aber die Tische und Stände, die eben noch hier gestanden hatten, waren ebenfalls nicht mehr da, und das Gras sah irgendwie komisch aus. Hart und rissig, wie eine schlecht gearbeitete Webdecke. Dylan drehte sich einmal um die eigene Achse. Er war von Bergen umgeben, von höheren Bergen, als er je zuvor gesehen hatte; steil ansteigenden braunen Bergen, die sich mit den Hügeln Tennessees wahrlich nicht

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