Vogelfrei
ihrem Vater zurückbringen.«
»Das kannst du ihr nicht antun. So grausam kannst du doch nicht sein.«
Dylan blieb stehen und sah Robin an. »Wie meinst du das?«
»Wenn du das tust, ist sie ihr Leben lang eine Ausgestoßene. Und sie wird in Armut leben müssen. Du wirst ja wohl wissen, dass sie mit einem illegitimen Kind nicht im Haus ihres Vaters leben kann. Er würde sie verstoßen, und das Kind dazu.«
»Niemals. Una würde es nicht zulassen.«
Robin nickte nachdrücklich. »O doch, er würde es tun, und seine Frau könnte ihn nicht daran hindern. Wie sollten ihn denn seine Leute respektieren, wenn er tatenlos zusieht, wie seine Tochter einen Bastard großzieht? Sein Clan folgt ihm nicht zuletzt deshalb, weil er als Mann von Ehre und Moral gilt.«
Dylan schüttelte den Kopf. Er verstand die Welt nicht mehr. Wie ließ es sich mit dem Ehrgefühl eines Vaters vereinbaren, die eigene Tochter zu verstoßen? »Wie bitte?«
»Du hast mich genau verstanden.«
»Ich kann's einfach nicht glauben.« Dylan wandte sich zur Tür.
»Dylan!« Robin folgte ihm. »Sei kein Narr! Es ist Nacht, es ist Winter, und du hast keinerlei Vorräte bei dir! Komm zurück!«
Aber Dylan hielt es nicht länger in der Baracke. Er wollte nichts mehr über verletzte Ehre, illegitime Kinder oder Caits Schicksal hören. Er würde nach Edinburgh gehen!
Entschlossen trat er in die Nacht hinaus, wo ein schneidender Wind an seinen Kleidern zerrte.
Sinann tauchte vor ihm auf und flatterte vor seinem Gesicht herum, während er Richtung Süden durch den Schnee stapfte. »Kehr um!«
»Verschwinde, Tink!«
Robin holte ihn ein. »Dylan, sei doch vernünftig!«
»Hör auf deinen Freund, Dylan. Er hat Recht. Du würdest ihr Leben zerstören, wenn du dort auftauchen und Ansprüche auf das Kind anmelden würdest.«
Er blickte sie finster an. »Du wusstest es, nicht wahr?«
»Ich hatte keine Ahnung. Woher hätte ich es auch wissen sollen?«, empörte sich Sinann.
Dylan knurrte angewidert und setzte seinen Weg fort; der Schnee knirschte unter seinen Füßen.
In dem verzweifelten Versuch, ihn aufzuhalten, landete Sinann direkt vor ihm auf dem Boden, doch Dylan ließ sich nicht beirren. Sie musste wieder aufflattern, um nicht zertrampelt zu werden. »Du wirst sterben, Dylan! Wenn du nicht schon auf dem Weg umkommst, werden sie dich töten, sobald du dort bist! Dann ist Cait in noch größerer Gefahr als vorher, denn Ramsay wird sie öffentlich bezichtigen, einen Bastard zur Welt gebracht zu haben!«
»Dylan!«, brüllte Robin, der keine Lust hatte, sich noch weiter in die verschneite Dunkelheit hinauszuwagen, ihm nach.
»Dylan!«, gellte auch Sinann, die ihm direkt ins Gesicht flog. Er scheuchte sie weg wie eine lästige Fliege und stapfte weiter.
In diesem Moment vernahm er ein Geräusch, ähnlich dem Knacken eines morschen Astes, und ein sengender Schmerz schoss durch sein linkes Bein; Dylan stieß einen unartikulierten Schrei aus, als er im Schnee zusammenbrach.
»Der Teufel soll dich holen!« Er robbte mühsam über den Boden, um dem Feuer in seinem Bein zu entfliehen. »Fahr doch zur Hölle!« Rote Funken begannen vor seinen Augen zu tanzen.
»Ich musste es tun«, entschuldigte sich Sinann.
»Hau ab! Hau bloß ab und lass dich nie wieder blicken!«
Robin, der gerade im Begriff war, Dylan aufzuhelfen, hielt erschrocken inne. Seamus, Rob, James, Coll und Alasdair Roy kamen aus dem Haus gestürzt, um zu sehen, was passiert war. Robin kniete neben Dylan nieder. »Was ist denn los?«
Dylan ließ sich rücklings in den Schnee fallen und machte seinem Frust durch ein ohrenbetäubendes Gebrüll Luft, das von den schneebedeckten Bergen widerhallte.
Die anderen Männer halfen ihm, zur Baracke zurückzuhumpeln und auf seine Pritsche zu klettern. Da es hier keinen Schmied gab, der den Knochen hätte richten können -wofür Dylan zutiefst dankbar war -, schienten sie das gebrochene Bein lediglich. Sinann erklärte ihm, sie habe für einen glatten Bruch gesorgt, Dylan hielt es nicht für nötig, sich bei ihr dafür zu bedanken. Alasdair flößte ihm Whisky ein, um die Schmerzen zu lindern, dann überließen sie ihn seinen Träumen, in denen er über die verdammten Sidhe schimpfte und ihre lästigen, gottverdammten Feen, die nur Unheil anrichteten, und dann murmelte er nur noch Gott steh ihnen bei, Gott steh ihnen bei, Gott steh ihnen bei...
Den Rest des Winters erholte er sich von seinem Beinbruch und von dem Schock, den ihm Robins Bericht versetzt
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