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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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hatte. Allmählich begriff er, warum er seinen Sohn nicht für sich beanspruchen durfte. Als Outlaw, der wegen Hochverrats, Mord und Raub gesucht wurde, konnte er Cait und ihrem Kind kein sicheres Leben bieten. Beide würden genau wie er ständig in Gefahr schweben, wenn er versuchte, sie bei sich zu behalten. Er wusste auch, dass sie nach der Schlacht bei Sheriffmuir am besten bei jemandem aufgehoben waren, der - wie Ramsay - das Vertrauen der Krone und des Staatsrates genoss. Auch wenn Ramsay ein schlechter Ehemann war, so hatte Cait doch mit ihm an ihrer Seite die besten Aussichten, die ihnen bevorstehenden Zeiten zu überleben. Ein Leben im Elend war zwar nur wenig besser als der Tod, aber immerhin besser.
    Als Mitte April der Schnee langsam schmolz, konnte er bereits ohne Krücken herumlaufen. Während eines morgendlichen Sparringskampfes mit Seamus Glas versicherte ihm dieser, dass sie alle begnadigt würden, sobald James endlich seinen Platz als rechtmäßiger König eingenommen hätte. Und dann könne Dylan auch Ansprüche auf seinen Sohn erheben.
    Ohne zu überlegen, brach Dylan in schallendes Gelächter aus, hörte aber ebenso schnell wieder auf. Eine Welle von Panik überkam ihn, er drehte sich um und betrachtete einen Moment lang die umliegenden Berge, bis er sich wieder gefasst hatte. Seamus warf ihm einen seltsamen Blick zu, aber Dylan konnte ihm schlecht verraten, was er wusste und woher er es wusste.
    Trotzdem schien Seamus seine Gedanken zu lesen. »Glaubst du, dass wir unterliegen werden?«
    Dylan überlegte, wie viel von seinem Wissen er preisgeben durfte, ohne Verdacht zu erwecken. »Die jakobitische Führung ist schwach. Es gibt nicht einen einzigen General, der die Männer in die Schlacht führen könnte.«
    »Da ist doch der Herzog von Berwick, König James' Halbbruder.«
    Dylan schüttelte den Kopf. »Er ist ein französischer Marschall, und Frankreich hat einen Vertrag unterzeichnet, in dem es sich verpflichtet, uns nicht zu Hilfe zu kommen. Berwick wird sich aus allem heraushalten, außerdem haben viele westliche Highlandclans bereits für George Partei ergriffen.«
    Seamus starrte ihn mit offenem Mund an. »Nein! Das kann nicht sein!«
    Oh-oh, dachte Dylan. War das schon geschehen? Er wusste nur, dass es irgendwann in diesem Jahr einmal so weit kommen würde. Rasch machte er einen Rückzieher. »Wenn sie es nicht schon getan haben, dann werden sie es tun, dessen bin ich mir sicher. Besonders Campbell of Argyll, das weißt du ja selber. Und so bleibt niemand mit Kampferfahrung übrig, der den Aufstand anführen könnte.«
    »Ich hoffe nur, du irrst dich.«
    Dylan wünschte selbst, er würde sich irren, denn genau dieser Mangel an erfahrenen Kommandanten würde ihre Niederlage bei Sheriffmuir herbeiführen.
    Das Bein verheilte gut, nur bei feuchtem Wetter verspürte Dylan manchmal einen dumpfen Schmerz. Leider war das Wetter in diesem Teil der Welt selten warm und trocken, aber er war froh, dass er sein Bein überhaupt wieder gebrauchen konnte; nur ein leichtes Hinken war geblieben. Sinann wies ihn des Öfteren darauf hin, dass sie ihm genauso gut das gesunde Bein hätte brechen können, aber aus purer Freundschaft das mit der Schussverletzung gewählt hatte. Er warf ihr dann stets einen vorwurfsvollen Blick zu und sagte nichts.
    Sobald der Schnee geschmolzen war, wurden die Vieh diebstähle wieder aufgenommen, und Ende Mai nahm auch Dylan wieder daran teil. Die Überfälle auf Montroses Pachteintreiber häuften sich, und auch andere wohlhabende Reisende büßten unterwegs ihre Geldbörsen ein. Dylan stellte sich bei diesen Blitzüberfällen, wie er sie nannte, inzwischen äußerst geschickt an.
    Eines Tages im Spätsommer lauerten er, Alasdair Roy, Seamus, James und Coll in der Nähe von Glen Dochart einigen Soldaten auf, die Gewehre und Schwerter nach Callander bringen sollten. Es hieß, dass die Engländer in Wirklichkeit nach Fort William wollten und nicht nur Waffen, sondern auch verschlüsselte Botschaften bei sich hatten. Obgleich die Waffen als Motiv für den Überfall dienten, waren diese Nachrichten für Rob mindestens ebenso wich- Der Trupp bestand aus sechs Reitern, fünf Uniformierten und einem Zivilisten, sowie zwei mit Kisten beladenen Packpferden. Der Weg war ziemlich schmal; zur einen Seite lag ein steiler Lehmhang, zur anderen ein kleiner Fluss. Alasdair sprang hinter einem Baum hervor und zwang die Gruppe mit vorgehaltener Pistole, Halt zu machen, die anderen umringten die

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