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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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schließlich zum Rückzug geblasen hatte - was Dylan ohnehin wusste -, lieferte das Buch keine konkreten Fakten und schon gar keine Hinweise darauf, was zu Mars Rückzug geführt hatte.
    Er stellte das Buch an seinen Platz zurück, griff nach dem Telefon, ließ sich aufs Sofa fallen und wählte Codys Nummer, die er sogar nach zwei Jahren noch auswendig wusste. Raymond meldete sich.
    »Hi. Ist Cody da?«
    »Wart einen Moment, Dylan.« Dylan hörte, wie Raymond nach Cody rief, dann wurde der Hörer abgelegt und wenig später wieder aufgenommen.
    »Hi, Dyl. Wie fühlst du dich?«
    »Als ob ich zu Fuß nach Edinburgh marschieren könnte.«
    Am anderen Ende entstand eine kleine Pause, dann hörte er ein kurzes, verlegenes Lachen. »Aha. Erzähl mir mehr davon.«
    Dylan zögerte, rang mit sich selbst; sie wartete geduldig ab. Schließlich streckte er sich auf dem Sofa aus und fragte so ruhig wie möglich: »Was würdest du für den Menschen tun, den du auf dieser Welt am meisten liebst?« Dabei presste er ein Kissen gegen seine schmerzende Seite.
    »Alles. Ich würde für Raymond alles tun.«
    »Und wenn du Kinder hättest, was würdest du ihnen zuliebe alles aufgeben?«
    »Auch alles.« Sie schwieg einen Moment, dann meinte sie nachdenklich: »Weißt du, das sind alles ziemlich schwer wiegende Fragen. Worauf willst du hinaus?«
    Ja, worauf wollte er eigentlich hinaus? Was sollte er sagen, damit sie ihm glaubte? Er beschloss, es ganz einfach mit der Wahrheit zu versuchen und abzuwarten, was passieren würde. »Würdest du mir glauben, wenn ich dir erzähle, dass ich seit zwei Jahren eine Frau liebe und mit ihr einen Sohn habe, der letzten Januar geboren wurde?«
    Cody schnaubte. »Nein. Damit wärst du schon längst herausgeplatzt. Netter Versuch, Matheson.«
    »Cody, ich meine es ernst. Was wäre, wenn ich von einer Sekunde zur anderen für zwei Jahre verschwunden wäre, mich verliebt, fast geheiratet und einen Sohn gezeugt hätte, ohne dass es hier jemand gemerkt hätte?«
    Jetzt begann sie zu kichern. »Ich weiß ja nicht, was du getrunken hast, Dylan, aber es dürften ein paar Gläschen zu viel gewesen sein.«
    Vielleicht war diese Beichte doch keine so gute Idee gewesen, trotzdem versuchte er es noch einmal. »Du erinnerst dich doch an die Narben auf meinem Rücken?« Das Atmen fiel ihm schwer, und nun, da er sich tatsächlich dazu überwunden hatte, über seine Erlebnisse zu sprechen, fühlte er sich auf einmal merkwürdig benommen.
    Cody hörte sofort auf zu kichern. »Allerdings.« Gut. Jetzt wusste sie, dass er sich keinen Spaß mit ihr erlaubte.
    »Du hast sie ja selbst gesehen. Du weißt, dass sie echt sind. Und du weißt, dass ich diese Narben vor zwei Wochen noch nicht hatte.«
    »Richtig.«
    »Aber das ist eigentlich unmöglich, nicht wahr?«
    Sie zögerte kurz, dann bestätigte sie: »Richtig.«
    »Du hast mit eigenen Augen gesehen, wie ich unverletzt von einem Schwertkampf weggegangen bin und trotzdem im nächsten Moment blutüberströmt am Boden gelegen habe.«
    »O ja. Das war mehr als merkwürdig.«
    »Außerdem war ich von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt, und mein Kilt war weg, richtig? Dafür trug ich ein Wehrgehänge, das ich vorher nicht hatte, und Gamaschen. Und ich hielt einen Dolch in der Hand, den du noch nie gesehen hattest.«
    Cody schwieg eine ganze Weile, dann erwiderte sie bedächtig: »An die Sachen kann ich mich nicht erinnern, und ich dachte, deinen Kilt hätten sie dir ausgezogen, um zu sehen, wo du verwundet worden warst. Aber jetzt, wo du es sagst, fällt mir ein, dass du mir irgendwie verändert vorgekommen bist. Du hast auch anders ausgesehen. Im Krankenhaus hab ich einen furchtbaren Schreck bekommen, weil du auf einmal so hager warst und weil du ... na ja, weil du älter ausgesehen hast. Viel älter. Aber ich dachte, das wäre eine Folge der Operation.«
    »Die Operation hatte damit gar nichts zu tun, Cody. Ich bin tatsächlich in das Jahr 1713 zurückversetzt worden, wo ich eine Frau namens Caitrionagh kennen gelernt und mich in sie verliebt habe. Und wir haben zusammen einen kleinen Sohn. Weißt du, woher die Narben auf meinem Rücken stammen? Aus dem Jahr 1714; da haben mich die Engländer verhaftet und ausgepeitscht. Mein Kilt ist in Schottland auf dem Schlachtfeld von Sheriffmuir zurückgeblieben, und zwar am 13. November 1715, an dem Tag, an dem der letzte große Kampf der Jakobiten gegen die Engländer in diesem Jahr stattfand; dort wurde ich auch mit einem englischen

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