Vogelfrei
Kavalleriesäbel verwundet und unmittelbar darauf in dieses Jahrhundert zurückkatapultiert.«
»Dylan, du machst mir Angst.«
»Glaub mir, Cody, ich bin nicht verrückt. Du hast doch die Narben selbst gesehen, du hast mich noch nach ihnen gefragt. Du weißt, dass es keine andere Erklärung dafür gibt. Erinnerst du dich an das alte Schwert, das du auf den Highland Games entdeckt hast? Eine irische Fee hatte es verzaubert, und als ich es berührte, wurde ich fast drei Jahrhunderte in die Vergangenheit geschickt. Und da bin ich zwei Jahre lang geblieben.«
Cody dachte eine Weile darüber nach, während Dylan den Atem anhielt. Dann vergewisserte sie sich: »Sie haben dich gefoltert?«
Er schloss erleichtert die Augen. Sie glaubte ihm! Seine Stimme wurde leiser, als er an die Verliese von Fort William zurückdachte. »Yeah.«
»Und du hast wirklich einen Sohn?«
»Ja. Er heißt Ciaran. Ich habe ihn noch nie gesehen, obwohl ich es gerne wollte.«
»Du hast einen Sohn.« Ein beinahe ehrfürchtiger Unterton schwang in ihrer Stimme mit. Sie schien Mühe zu haben, sich an den Gedanken zu gewöhnen. »Himmel, Dylan, vielleicht leben heute noch Nachkommen von dir in Schottland.«
Dylan presste das Kissen fester gegen die Seite, denn "sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. »Bitte, Cody, ich möchte jetzt nicht darüber nachdenken. Ich kann nicht.«
»Wie war denn die Mutter des Babys so?« Cody lachte leise. »Stimmt es, dass die Leute sich damals nie gewaschen oder rasiert haben? Ich meine, hatte sie Haare an den Beinen und unter den Achselhöhlen?«
Dylan musste grinsen. Er dachte einen Moment nach. »Weißt du, darauf habe ich gar nicht geachtet. Als ich ihre Beine endlich das erste Mal sah, schienen mir solche Kleinigkeiten nicht so wichtig zu sein. Und die Leute haben damals sehr wohl gebadet, nur nicht so oft wie wir und fast nie mit heißem Wasser. In dieser Zeit wurde man von so vielen grässlichen Gerüchen geplagt, dass es auf ein bisschen Schweiß auch nicht mehr ankam. Ich habe ihren Geruch geliebt. Sie roch ...«, er suchte nach einem passenden Vergleich, »sie roch so, wie man sich beim Sex fühlt.«
Cody kicherte. »Du hast sie wirklich geliebt, nicht? Ich wusste schon immer, dass es dich wie ein Blitzschlag treffen würde, wenn du der richtigen Frau begegnest.«
Dylan grinste, obwohl ihm ein Kloß in der Kehle saß. »Cody, ich wäre für sie durchs Feuer gegangen. Sie war eine wunderbare Frau, schön, stark und selbstbewusst, dabei aber mit dem weichsten Herzen der Welt ...«
Er musste sich räuspern, um weitersprechen zu können. »Cody, ich weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll. Ich komme mir vor, als würde ich mein Leben rückwärts leben; als hätte ich plötzlich erkannt, wer ich wirklich bin, und müsste jetzt wieder die Rolle desjenigen spielen, der ich nicht bin.«
»Was willst du tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Irgendetwas musst du tun, Dylan. Du klingst, als würdest du dich hundsmiserabel fühlen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was du jetzt durchmachst. Furchtbar, dass du deinen Sohn nicht sehen kannst. Und Cait.«
»Ich kann dir auch nicht beschreiben, wie ich mich fühle.« Trotzdem versuchte er es. Bis spät in die Nacht hinein erzählte er ihr von seinem Leben in der Vergangenheit, von Sinann, von dem weißen Hund und von Fearghas MacMhathains Kampf gegen die Wikinger. Er erzählte von Viehdiebstählen und Raubüberfällen, verschwieg ihr aber, dass er dabei auch Menschen getötet hatte, denn er wusste, dass sie das nie verstehen würde. Aber dafür berichtete er ihr von dem Messerkampf mit Iain und dem Jagdausflug, bei dem er ein Stückchen seines Ohres verloren hatte, und musste lachen, als sie meinte, sie müsse wohl blind gewesen sein, weil sie die Kerbe nicht bemerkt hatte. Es tat gut, wieder einmal von Herzen zu lachen.
Zwar fand er während des Gesprächs mit Cody auch keine Lösung für sein Problem, aber es tat ihm gut, sich alles von der Seele zu reden, und allmählich konnte er auch wieder klar und logisch denken. Der Verkehr auf der Main Street war schon verstummt, als er endlich den Hörer auflegte, das Telefon auf den Boden stellte und sich auf dem Sofa ausstreckte, um ein paar Stunden zu schlafen.
Doch der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Dylan wälzte sich von einer Seite auf die andere und lauschte seinem eigenen Herzschlag. Die Welt um ihn herum war dunkel und still, nur das regelmäßige Pochen seines Herzens dröhnte ihm in den Ohren.
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