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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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und sog zischend die Luft durch die Zähne. Sein Pferd scharrte unruhig mit den Hufen. »Das mag ja sein, aber erwartet Ihr denn nicht mehr vom Leben, als hier in dieser kargen Gegend ein kümmerliches Dasein zu fristen? Ihr scheint mir etwas vernünftiger zu sein als Eure Vettern, die nur danach trachten, die rechtmäßige Königin zu stürzen. Ihr habt in einem anderen Land gelebt; Euch hat man nicht von Kindesbeinen an lauter Lügen eingehämmert. Ihr müsst doch wissen, dass ein Aufstand keine Aussicht auf Erfolg hat.«
    Das wusste Dylan nur zu gut, ohne Zweifel besser als der ehrenwerte Captain selbst, aber der hochnäsige Laffe ging ihm auf die Nerven. »Was wollt Ihr eigentlich von mir, Captain Bedford?«
    »Informationen«, entgegnete Bedford schlicht.
    »Ich habe keine Informationen, schon gar nicht für Euch.« Dylan begriff, dass Bedford ihn aufgrund seiner Herkunft als schwächstes Glied im Matheson-Clan einstufte, und das ärgerte ihn. Er hob das Kinn. Zeit, diesem Fatzke das Gegenteil zu beweisen.
    »Es soll auch Euer Schaden nicht sein«, lockte dieser.
    »Behaltet Euer schmutziges Geld und nehmt lieber Eure Schindmähre zur Seite, damit ich vorbei kann.«
    Bedford presste die Lippen zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammen. »Ihr solltet meinen Vorschlag nicht so voreilig ablehnen. Wenn es bekannt würde, dass Ihr mir Informationen zugespielt habt...«
    »Niemand würde Euch glauben.« Dylan neigte spöttisch den Kopf. Dieses Katz-und-Maus-Spiel widerte ihn an. »Im Gegensatz zu Euch, Captain, habe ich mir nämlich das Vertrauen dieser Leute verdient. Sie schenken es einem Menschen nicht leicht, aber sie entziehen es ihm auch nicht so schnell wieder. Ihr als Engländer werdet dagegen nie verstehen, was es heißt, Mitglied eines Clans zu sein.«
    Bedford schwieg lange Zeit, dann sagte er: »Nun gut.
    Zieht mit Euren Vettern am selben Strang, aber wundert Euch nicht, wenn Ihr eines Morgens mit einem Messer zwischen den Rippen aufwacht. Dann werdet Ihr bereuen, dass Ihr je geglaubt hat, diesen Menschen läge etwas an Euch.« Er lenkte sein Pferd zur Seite, um Dylan vorbeizulassen, dann rief er ihm nach: »Die Clans werden sich nicht mehr lange halten können. Denkt an meine Worte!«
    Dylan wusste, dass Bedford die Wahrheit sprach, aber das war hier nicht von Bedeutung. Er brachte es einfach nicht fertig, die Menschen zu hintergehen, die er allmählich als seine Familie zu betrachten begann.

9.
    Allein die heimlichen Küsse, die er und Cait bei jeder sich bietenden Gelegenheit tauschten, halfen Dylan, die dunklen Monate zu überstehen. Bei den abendlichen Versammlungen wurde oft von Begnadigung und Entschädigungszahlungen für bestimmte Jakobiten gesprochen, denn Königin Anne suchte Frieden mit den Clans zu schließen. Die Gräuel der Schlacht von Killiecrankie und des Massakers von Glencoe vor fünfundzwanzig Jahren sollten mit der Zeit in Vergessenheit geraten.
    Dylans Ersparnisse wuchsen stetig, und er vermehrte sie noch, indem er Löcher in die Eisdecke des Sees hackte, dort angelte und die Fische an die Burgküche verkaufte. Gelegentlich fing er auch einen Aal, den aber niemand haben wollte. Also nahm er die Aale selber aus, säuberte sie und briet sie dann auf einem Rost über dem Feuer in seinem Kamin. Er überredete Cait, davon zu probieren, und der Aal mundete ihr, alle anderen Bewohner der Burg nannten ihn jedoch einen Narren.
    Schon bald hatte er so viele der kleinen Silbermünzen in seiner Truhe gehortet, dass er Malcolm bitten musste, sie in größere Geldstücke umzutauschen. Pennys wurden zu Shillingen, diese wechselte er später in Goldguineen um, die auf der Vorderseite das Bildnis Königin Annes und auf der Rückseite vier eingeprägte Schilde trugen. Eine Guinee war einundzwanzig Shilling wert. Dylan, der noch nie zuvor eine Goldmünze gesehen hatte, begann sich als wohlhabender Mann zu fühlen. In typisch amerikanischer Manier - typisch sogar für die Amerikaner dieses Jahrhunderts - dachte er daran, Besitztümer anzuhäufen. Vielleicht konnte er dann Cait bitten, ihn zu heiraten.
    Er wunderte sich über sich selbst. Der Gedanke an Heirat war ihm noch nie zuvor gekommen, und als Cody ihn kurz vor ihrer eigenen Hochzeit mit Raymond einmal darauf angesprochen hatte, hatte er nur lachend abgewinkt. Doch jetzt ließ ihn dieser Gedanke nicht mehr los, und seine Gedanken kreisten den ganzen Tag lang um Cait; des Nachts träumte er nur noch davon, endlich die schwere Holztür

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