Vogelfrei
sehen.«
»Wart's nur ab.« Dylan lächelte und streckte sich auf seiner Matratze aus.
Am nächsten Tag sprach er mit dem Dorfschmied. Tormod Matheson gehörte zu Iains Pächtern und führte als Teil seiner Pachtzahlungen Schmiedearbeiten in der Burg aus, wenn welche anfielen. Das kam allerdings relativ selten vor, da fast alles dort aus Holz, Stroh, Stein und Tierhäuten gefertigt war. So stellte Tormod hauptsächlich Waffen her; leider reichte sein Geschick dabei nur für grob geschmiedete Dolche und Schwerter aus.
Trotzdem händigte ihm Dylan eine seiner Guineen aus, wies Tormod an, daraus einen Ehering zu fertigen, und bot ihm das restliche Gold als Lohn für seine Arbeit an. Dann versicherte er dem Schmied noch, dass er ihm das Leben zur Hölle machen würde, falls er mit dem Ring nicht zufrieden sein sollte. Drei Tage später brachte Tormods jüngster Sohn den in ein Stück schmutziges Leinen gewickelten fertigen Ring in die Burg.
Dylan zog sich auf einen Abtritt zurück, um das kleine Päckchen in Ruhe zu öffnen, und hielt den schmalen Goldreif ins Licht. Er war schlicht gearbeitet, ohne überflüssige Verzierungen, ohne Gravur, und die Oberfläche war grob gehämmert, nichtsdestoweniger schien von dem schimmernden Gold eine gewisse Kraft auszugehen. Der Ring war das greifbare Symbol eines Versprechens, und Dylan wurde leicht ums Herz, als er ihn wieder in den Lappen wickelte und in seine Tasche gleiten ließ.
Später am Tag drückte ihm Cait in der Küche einen Eimer in die Hand und teilte ihm mit, dass sie zum Brunnen auf der anderen Seite des Burghofs gehen müsse. Auf dem Weg dorthin sprach sie kein Wort, und auch er trug eine undurchdringliche Miene zur Schau. Draußen beim Brunnen war es zwar kalt, aber wenigstens windgeschützt, und wenn sie beide miteinander allein waren, rann ihnen das Blut ohnehin heißer durch die Adern. Der Brunnen lag in einer Ecke des Burghofes, zwischen dem Westturm und den Unterkünften derjenigen Burgbewohner, die nicht zur Familie gehörten. Man erreichte ihn nur durch einen schmalen Gang; kein Fenster ging auf ihn hinaus, und demzufolge war dies der einzige Platz in der ganzen Burg, wo sie ungestört ein wenig Zeit miteinander verbringen konnten. Zu lange durften sie allerdings nicht ausbleiben, sonst würde ihre Abwesenheit Verdacht erregen.
Hinter dem Brunnen drehte Cait sich zu ihm um, öffnete seinen Mantel und schmiegte sich an ihn. Er küsste sie lange, und als er sie wieder freigab, flüsterte sie nahezu unhörbar auf Gälisch: »Liebst du mich?«
»Über alles«, erwiderte er leise. Er verstand nicht, wieso sie überhaupt fragen musste.
Sie trat einen Schritt zurück und sah ihm ernst in die Augen. »Wirst du mit meinem Vater sprechen?«
Er wollte ihr gerade versichern, dass er seine Liebe zu ihr am liebsten in die ganze Welt hinausposaunen würde, als er begriff, was sie mit ihrer Frage wirklich meinte. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Für sie und jede andere Frau dieser Zeit bedeutete das Wort >Liebe< viel mehr als eine lose Beziehung. Wenn sie ihn liebte, würde die Frage, ob er ihre Liebe erwiderte, ihre Zukunft entscheidend beeinflussen. Ob zum Guten oder zum Schlechten, das hing in diesem Fall allein von ihm ab. Wenn er ihrem Vater gestand, was er für Cait empfand, hieß das, dass er zugleich um ihre Hand anhalten musste. Dieses Gespräch mit Iain wollte gut durchdacht sein, er würde danach keinen Rückzieher mehr machen können. Entschlossen sagte er: »Ja. Ich möchte dich heiraten.«
Ihr Gesicht rötete sich vor Freude. »Also willst du nicht mehr nach Amerika zurückgehen?«
Flüchtig stellte er sich vor, wie sie sich wohl in seinem Jahrhundert zurechtfinden würde. Fast hätte er dabei laut aufgelacht, bezwang sich aber und schüttelte stattdessen den Kopf. »Ich würde nie von dir verlangen, deine Familie hier zurückzulassen.«
Wieder küsste sie ihn, dann kuschelte sie sich zufrieden in seine Arme. Er drückte sie an sich und dachte an das, was vor ihm lag. Schon vor Monaten hatte er die Hoffnung aufgegeben, je wieder in seine eigene Zeit zurückkehren zu können, nun musste er auch aufhören, sich ständig nach seiner alten Heimat zurückzusehnen. Seine Zukunft lag hier, bei Cait, und sie schien ihm mit einem Mal verheißungsvoller als je zuvor in seinem Leben.
Cait schlüpfte unter seinem Mantel hervor, griff nach dem Eimer und füllte ihn mit Wasser. Dylan griff nach seinem sporran. »Cait, ich habe hier ...«
»Wir müssen
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