Vogelfrei
gehen, wir sind schon viel zu lange ausgeblieben.«
Sie hatte Recht. Wenn sie sich nicht bald wieder in der Küche einfanden, würde es Gerede geben. Sie konnten ja später noch miteinander reden, in der Nische, wenn in der Burg Stille herrschte.
In dieser Nacht führten sie ein langes Gespräch. Cait kauerte auf ihrem üblichen Platz auf dem Boden direkt hinter der Tür, er saß auf seiner Pritsche und hörte ihr zu. Sie meinte, ihr Vater würde Dylan vielleicht ein Stück von seinem Land verpachten, und wenn er das nicht von sich aus anböte, könne sie ihn sicherlich dazu überreden. Sie würden sich ein Haus bauen, Hafer und Roggen anbauen, Schafe und Rinder halten und viele, viele Kinder bekommen. Caits Augen leuchteten im Kerzenschein, während sie Zukunftspläne schmiedete. Er hielt den Ring in der Hand und rieb mit der Spitze seines Mittelfingers unaufhörlich darüber, während er darauf wartete, dass sie ihn auch einmal zu Wort kommen ließ. Schließlich musste auch sie einmal Luft holen, und er erhob sich. »Cait, komm bitte zu mir herüber.« Er hielt ihr seine Hand hin.
Sie zwinkerte verwirrt, stand dann aber auf und schlang sich die Decke enger um die Schultern. »Was ist?«
»Komm kurz zu mir und setz dich.« Sie gehorchte, reichte ihm ihre Hand und ließ sich auf der Bettkante nieder. Ein verwundertes Lächeln trat auf ihr Gesicht, als er vor ihr auf ein Knie sank und sagte: »Ich weiß nicht, wie man sich bei euch in einem solchen Fall verhält, aber bei uns gibt es gewisse Sitten ... dort, wo ich herkomme, würden wir jetzt bei Kerzenschein an einem gedeckten Tisch sitzen, mit leiser Musik im Hintergrund und Rosen ...« Er blickte sich um. »Na ja, Kerzenlicht haben wir ja wenigstens.« Sie sah ihn immer noch verwundert an, aber das leise Lächeln, das um ihre Mundwinkel spielte, verriet ihm, dass sie schon ahnte, worauf er hinauswollte. Er zuckte mit den Achseln und öffnete die Hand mit dem Ring. »Sag, dass du mich heiraten wirst.«
Sie lächelte. »Ich ...« Doch als sie den Ring sah, verschlug es ihr die Sprache. Lange Zeit starrte sie ihn mit offenem Mund an, und Dylan hatte Mühe, sich das Lachen zu verbeißen. »Wo hast du den denn her?«
»Ich habe ihn eigens für dich anfertigen lassen. Wirst du ihn tragen?«
Cait steckte sich den Ring an den Finger. Er saß ein bisschen locker, aber so würde sie ihn noch bis ins hohe Alter tragen können, auch wenn ihre Hände dicker wurden. Wenn es nach ihm ginge, würde sie ihn nie wieder ablegen.
Er beugte sich vor, um ihre Handfläche zu küssen, dann presste er seine Wange dagegen. Sie strich ihm sanft über das Haar und das Gesicht. Die Berührung jagte ihm einen wohligen Schauer über den Rücken, und in diesem Moment wünschte er nur, für immer und ewig hier bei ihr bleiben zu können. Doch nach einiger Zeit beugte sie sich zu ihm hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Bleib heute Nacht bei mir, Dylan. Komm zu mir in mein Bett.«
Dylan richtete sich auf. Nichts hätte er lieber getan, als mit ihr zu gehen, aber er wusste auch um die Gefahr, der er sich - und sie - damit aussetzen würde. So zwang er sich, abwehrend den Kopf zu schütteln. »Nein, das ist keine gute Idee. Viel zu riskant.« Sie hatten in der Tat schon zu viel Zeit allein miteinander an einem Ort verbracht, wo sie nur allzu leicht ertappt werden konnten. Sie erhob Einwände, aber er stand auf und zog sie mit sich. Nach einigen weiteren leidenschaftlichen Küssen, die ihm seinen Entschluss nicht gerade leichter machten, brachte er sie in ihre Kammer zurück. Sie fügte sich nur widerstrebend. Seufzend schloss er die Tür hinter ihr, kleidete sich aus und kroch allein in sein Bett.
Er war schon halb eingeschlafen, als er spürte, dass jemand in der Nähe war. Das nahezu unhörbare Geräusch nackter Füße auf dem Holzfußboden brachte ihn vollends zu sich, er packte den silbernen Dolch, der unter seinem Kopfkissen lag, und spähte in die Dunkelheit. Ein schwarzer Schatten näherte sich Caits Tür. Mit einem Satz sprang Dylan von seiner Pritsche und stieß den Eindringling mit dem Kopf gegen das harte Holz, dann packte er ihn am Hemd, zerrte ihn zu sich herum und setzte ihm die Spitze seines Dolches an die Kehle. Gerade als er zustechen wollte, erkannte er jedoch Artairs Stimme, die um Gnade winselte.
Im selben Moment hörte er hinter sich ein Geräusch. Dylan drückte Artair mit der linken Hand die Kehle zu und fuhr herum, um sich den zweiten Mann mit dem Dolch vom Leibe
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