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Vogelweide: Roman (German Edition)

Vogelweide: Roman (German Edition)

Titel: Vogelweide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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sie zu Eschenbach.
    Ewald, der vor zwei Tagen aus China zurückgekommen war, erzählte von den Schwierigkeiten des Bauprojekts. Anna war der Unwille anzumerken, sie hatte es immer wieder hören müssen, und da sie das ganze Projekt ablehnte, sagte sie, er solle die Arbeit zu einem Ende bringen, indem er einfach aufhöre damit. Dann stimmten Tat und Meinung wieder überein. Da fiel ihr Ewald, der diesen Vorwurf wohl oft hatte hören müssen, gereizt ins Wort und sagte, was tust denn du? Was machst du denn politisch? Konkret? Nichts.
    Sie werde etwas tun, sagte sie, wolle in einer Gruppe mitarbeiten, die zwei Kollegen an ihrer Schule gegründet hatten, eine Gruppe, in der sich Lehrer, Ärzte, Soziologen und Wirtschaftsingenieure treffen, um das Prinzip der Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln.
    Man muss über die Appelle hinauskommen, ganz konkrete Beispiele leben, die Lust auf Dauer. Auch im Miteinander. Nicht das Vernutzen, Wegwerfen, Vernichten, sondern die Aufarbeitung, der Wiedergebrauch, sie zerlegte das Wort säuberlich Wieder-Gebrauch, Pflege, Reparatur. Was wäre zu sparen an Energie, an Material, an Arbeitszeit, sagte Anna, wenn man einfach all die beschädigten Dinge reparieren würde.
    Ewald sagte, das wolltest du schon vor Monaten, und mit einem provozierenden Lächeln fügte er hinzu, da haben wir inzwischen mehr getan, Christian und ich haben in der Zeit immerhin einen Wantenspanner repariert.
    Und ich, sagte Eschenbach, müsste eigentlich eine Verdienstmedaille bekommen. Repariere meinen Saab selbst, Jahrgang 1966. Wenn das nicht Nachhaltigkeit ist.
    Ach was, sagte sie, und ihr messingfarbenes Haar schien sich von Empörung aufgeladen zu sträuben, ihr wisst, was ich meine. Und ich finde es kindisch, wie ihr versucht, mich ins Lächerliche zu ziehen.
    Es war zu einem Missklang gekommen, den auch Selma nicht mit der Erzählung beheben konnte, dass polnische Freunde massenhaft Schrottautos in Deutschland ausgeschlachtet und damit Autos in Polen repariert hätten. Sie habe auch so einen Wagen gefahren, fast vier Jahre.

    Sie verabschiedeten sich, und die Missstimmung dauerte an.
    Selma machte ihm später den Vorwurf, mit der Erwähnung seiner Autoreparatur Ewald bestätigt zu haben. Eine ironische Männerkumpanei. Eure Reparaturhobbys haben doch nichts mit dem zu tun, was Anna meint und will.

    Am nächsten Tag hatte er Anna angerufen und sich entschuldigt. Wie er sich verhalten hatte, war dämlich, und das sagte er ihr auch genau so. Es war dämlich von mir. Er wolle ihr nochmals versichern, wie wichtig er die Arbeit einer solchen Gruppe finde.
    Ausgerechnet du, sagte sie, du bist es doch, der alles in Schwung hält, der alles noch beschleunigt. Das ist doch das erklärte Ziel deiner Arbeit, deines Büros: verknappen, verkürzen, beschleunigen.
    Ja, sagte er, das sei wohl richtig.
    Kann man Nachhaltigkeit beschleunigen?
    Sicherlich, sagte er, zögerte dann aber. Ein interessantes Paradox. Aber letztlich überholt Achill doch die Schildkröte. Hängt vom jeweiligen Gebiet ab. Ich werde darüber nachdenken. Lass uns darüber reden.
    Sie hatte nur okay gesagt.

    Einmal waren sie gemeinsam, Anna, Ewald und er, zu einem Einladungstermin nach Potsdam gefahren. Ewald hatte diese Villa, die in einem kleinen Park lag, entworfen und gebaut, rechts auf dem Nebengrundstück hinter Taxushecken stand ein mit Stuck beladenes Haus aus der Gründerzeit, links lag ein Kiefernwäldchen. Wie überrascht aber war Eschenbach, als er, der inzwischen andere Bauten von Ewald kannte, Schulen, Fabrikhallen, Hochhäuser, alle der Moderne verpflichtet und, das hatte er sich sofort eingestehen müssen, gelungene Bauten, jetzt vor dieser Neoklassik stand.
    Der Eingang mit einem Portikus, ein dreieckiger Architrav von zwei Säulen getragen, die Ecken jeweils mit einer goldenen Kugel verziert. Sicherlich ein Zitat, das war überdeutlich, aber eben darum wirkte es wie ein Kalauer. Eine Empfangshalle, weiß und hoch, auch hier Säulen. Dort empfing der Hausherr seinen Architekten, stellte ihn, in die Hände klatschend, den in der Halle versammelten Gästen vor: Hier der Erbauer. Sonderbar betont, hörte es sich wie Bauer an.
    Plötzlich verstand Eschenbach, warum Anna gedrängt hatte, er solle mitkommen. Zu Studienzwecken. Sie wusste, was ihn dort erwartete, hatte aber auf der Hinfahrt, Ewald saß am Steuer, keinen Kommentar über den Bauherrn abgegeben.
    Lass dich ruhig überraschen, sagte sie.
    Und er wurde überrascht.
    Durch die hohen

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