Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
Vom Netzwerk:
Wasserlaufs, der in der wogenden Dunkelheit kaum zu sehen war. »Ziehen wir uns dahinter zurück. Wir werden mehr von ihnen töten, wenn sie erst den Fluss überqueren müssen, bevor sie uns erreichen.«
    Amîn schüttelte den Kopf. »Wir führen nun schon zum dritten Mal ein Rückzugsgefecht«, sagte er laut genug, um den Kampflärm zu übertönen. »Sie dezimieren uns, und wir verlieren an Boden! Was genau sollen wir eigentlich hier?«
    Wir sind hier, um uns töten zu lassen, damit die Westflanke von Gilas’ Armee geschützt bleibt.
    Die Antwort war ganz einfach, und daran war nichts zu ändern. Wenn sie nicht hier gewesen wären, um sich zu opfern, hätten die Sakâs die Straße sicher schon längst erobert und die Tore eingerannt.
    Auf jeden Fall war Amîns Frage rhetorisch. Er wusste es. Sie mussten die Westmauer schützen, das wussten sie alle, und das Übrige … Alles Übrige ist nur schmückendes Beiwerk , hätte Arekhs Vater gesagt. Das war eine seiner bevorzugten Redewendungen gewesen. Für Joanki es Morales vom Gut Miras hatte es die Pflicht gegeben, die man schweigend zu erfüllen hatte - und alles Übrige war nur schmückendes Beiwerk …
    Warum stand Arekh plötzlich das Bild seines Vaters vor Augen? Er gab seinem Pferd die Sporen und drängte sich
im Schlachtgetümmel zu drei riesenhaften Sakâs durch, die sich - je eine Fackel in der linken und eine Axt in der rechten Hand - eine Gasse durch die Verteidiger freischlugen.
    Die Burg seiner Kindheit, die Langeweile und Hoffnungslosigkeit, die ihre grauen Steine durchtränkten …
    Einer der drei Sakâs wandte sich Arekh zu, und dieser sprang mit gezogenem Schwert vom Pferd, da er plötzlich Lust verspürte, zu Fuß zu töten, die Stiefel auf dem Boden.
    Sein Vater, der aus einer langen Reihe von Offizieren gestammt hatte, von denen so viele bei der Verteidigung der Fürstentümer gefallen waren …
    Der Sakâs schleuderte die Fackel nach vorn, mitten zwischen die Soldaten, und riss die Axt mit beiden Händen hoch. Er legte sein ganzes Gewicht in den Angriff, und mit einem lauten Ächzen zielte er auf Arekhs Kopf. Arekh parierte nicht: Der Schlag hätte sein Schwert zerschmettert und ihm vermutlich die Schulter ausgerenkt. Er wirbelte gerade noch rechtzeitig herum, so dass die Axtklinge eine Handbreit von seinem Gesicht entfernt niederging.
    Sein Vater, der so davon geträumt hatte, dass seine Söhne der Familientradition folgen würden, der sie im Hinblick darauf erzogen hatte …
    Die Axt grub sich in einen Leichnam am Boden, und Arekh traf den Sakâs, der das Gleichgewicht verloren hatte, im Nacken; sein Schwert drang in die Halswirbelsäule.
    Sein Vater, der davon geträumt hatte, dass seine drei Söhne Ruhm erringen würden … Aber seine beiden Lieblinge waren tot, und heute war es Arekh, der Mittlere,
den sein Vater mehr als alles andere verachtet und gehasst hatte, der vor den Mauern von Reynes kämpfte.
    Der zweite Sakâs hatte sich zu ihm umgedreht. Er schlug mit der Fackel nach ihm, und obwohl Arekh eine abrupte Bewegung machte, um auszuweichen, spürte er diesmal, wie die Flammen sein Gesicht streiften. Schmerz zuckte durch seine Wange, aber er hatte bei den Seelenlesern Schlimmeres überstanden und spürte nur einen leisen Hauch von Zorn, als er zum Gegenschlag ausholte.
    Manchmal war das Schicksal so ironisch!
    »Aida Morales!«
    Amîns Stimme hinter ihm. Arekh traf den Sakâs und zwang ihn, zurückzuweichen; dann drehte er sich um.
    Amîn bedeutete ihm, zu ihm hinter die Front zu kommen.
    Arekh überließ den Verwundeten seinen Männern, nahm die Zügel seines Pferdes und zog sich zurück. Das Bild der Burg von Miras, das eisige Gesicht seines Vaters, das über dem Chaos schwebte …
    War das nicht absurd? Auf seinem ganzen Weg hatte er sich nur im Kreis gedreht, um am Ende doch das Schicksal zu erleiden, das ihm schon immer bestimmt gewesen war.
    »Aida Morales«, wiederholte Amîn, als sie ein Stück vom Kampfgeschehen entfernt waren. Um sie herum zogen sich die Männer langsam zum Fluss zurück. Das Feuer hatte eine kleine Reihe trockener Sträucher erfasst und beleuchtete das Schauspiel mit rötlichem Schein. »Ihr müsst die Front verlassen und Euch zum Nordostbogen des Großen Kreises begeben. Dort wird es Verhandlungen geben … mit Ayesha.« Amîn beantwortete
Arekhs verblüfften Blick nur mit einer verständnislosen Geste. »Gilas es Maras und der König von Harabec sind ebenfalls eingeladen. Ayesha besteht darauf, dass ihr alle

Weitere Kostenlose Bücher