Volk der Verbannten
der Armeeführung von Reynes beleuchtet wurde. Irgendwo dort unten musste der Hohepriester sein, und der König der Sakâs fragte sich, ob dieser die Pracht des Schauspiels wohl ebenso sehr zu schätzen wusste wie er. Inmitten der Feuerlache befand sich eine düstere, wogende Masse, die Armee von Reynes, ein dunkler Fleck, auf den sich der Strom der Glühwürmchen ergoss, der die Fläche umgab und sogar darin eindrang. Ja, kleine Lichtbächlein stießen bereits in die dunkle Masse der feindlichen Krieger vor und würden sie bald sprengen, wie Eis einen Stein sprengt.
Der König der Sakâs wandte den Kopf nach Westen, wo sich die zweite Welle aus Glühwürmchen befand. Auch dort tanzten die Lichter und konzentrierten sich auf einen bestimmten Punkt nahe der Mauerstraße; andere Gruppen kleiner Leuchtkäfer zogen schon weiter westlich durch den Wald, um ihren Gegnern in den Rücken zu fallen. Und auch dort wirkten die dunklen Scharen der
Verteidiger verloren und ertränkt. Stück für Stück wichen sie zurück - und Stück für Stück knabberten die Leuchtkäfer an der Straße. Und bald würde es zu spät sein, denn die funkelnden Insekten würden ein unauffälliges Loch finden, durch das sie ins Innere von Reynes schlüpfen konnten.
Aber all das war nicht wichtig. Die Strategie spielte verglichen mit dem Entscheidenden - der Schönheit - keine Rolle.
Schritte erklangen hinter ihm, und der König der Sakâs drehte sich um. Anâs verneigte sich vor ihm; er war einer der sieben Hâl geweihten Krieger, einer der sieben, deren Blut anstelle des königlichen Blutes fließen musste, wenn der König angegriffen wurde.
»Jemand möchte Euch sprechen«, sagte Anâs.
Der König der Sakâs sah ihn erstaunt an.
»Ich weiß, dass Ihr ungestört das Werk des Zyklus betrachten wolltet, aber … es handelt sich um das kleine Mädchen«, erklärte Anâs. »Die Botin. Die Hâman der Ayesha.«
»Wir können uns nicht zurückziehen«, sagte Amîn. »Noch nicht.«
Blut floss ihm übers Gesicht, und sein Pferd war verletzt. Sein Arm wies dort, wo ein Sakâs ihn mit der Fackel getroffen hatte, eine Verbrennung auf. Von den ursprünglich achtzig Reitern waren nur noch etwa vierzig übrig, verstärkt durch Reiter aus Reynes und einen Teil von Manaîns Nâlas. Im Laufe der letzten Stunden waren weitere Männer aus dem Emirat zu ihnen gestoßen, weil es ihnen lieber war, unter Aida Morales’ Befehl zu kämpfen, als sich Laosimbas Truppen anzuschließen. Der neue
Erbe des Emirats - wie er auch heißen mochte - konnte die Massen nicht für sich begeistern.
Die Sakâs hatten sich in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste trieb Gilas es Maras’ und Harrakins Truppen auf der Straße vor sich her, während die zweite versuchte, sie im Westen zu umgehen, wo Arekh und seine Männer ihr Bestes taten, um durchzuhalten. Die Sakâs wollten in großer Zahl durch die Haferfelder vordringen - und auf tückischere Weise durch den Wald: Während die meisten Feinde dicht an dicht zwischen den Getreidereihen mit Amîns Männern kämpften, schlichen kleine Banden von jeweils zehn oder zwanzig Sakâs durch den Wald, mit dem Auftrag, so weit wie möglich nach Süden vorzudringen und die gegnerischen Truppen zu bedrängen, bevor sie getötet wurden.
Die Bogenschützen aus Reynes, die in den Bäumen postiert waren, konnten viele töten, aber diejenigen, die entkamen, griffen isolierte Posten an oder fielen in die Lager ein, in denen sich die Verwundeten ausruhten. Manche waren sogar mit Fackeln in der Hand in Gilas es Maras’ Hauptlager aufgetaucht. Es war ihnen gelungen, das Kommandozelt in Brand zu stecken, bevor sie aufgehalten wurden.
Das waren nur Einschüchterungsversuche, aber sie waren wirkungsvoll. Sie spielten mit der Moral der Truppen, die sich nirgendwo sicher fühlten …
Und vor allem verloren sie an Boden.
Die Bewegung war kaum merklich, aber durchaus vorhanden. Und dort drüben, in der Nähe der Mauern, waren Harrakin und Gilas ebenfalls zurückgewichen, das wusste Arekh. Man konnte es mit bloßem Auge sehen. Die Feuerwelle - die Sakâs und ihre Fackeln - brandete
gegen die dunkle Masse der verbündeten Truppen an, und die Front war deutlich sichtbar. Sie war seit Einbruch der Nacht mehr als hundert Fuß nach Süden gewandert.
Arekh drehte sich mit mattem Blick zu Amîn um. »Wir haben zu hohe Verluste, und das Gelände ist abschüssig. Das wirkt sich vorteilhaft für sie aus.« Er wies auf einen kleinen Hain in der Nähe eines
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