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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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bereit.«
    Marikanis Blick wanderte nach Westen, zum Pass beim Roten Felsen. Es schien ihr, als ob sie Rauch sehen würde, vielleicht eine Bewegung. Sie konzentrierte sich darauf und hörte Baras letzte Worte kaum.
    »Die Götter haben Macht über unser Leben und unseren Tod. Und ihre Entscheidungen sind immer richtig.«
    Dann entfernte er sich. Marikani drehte sich nicht um.
     
    »Hierher!«, schrie Harrakin. »Schnell!«
    Vor ihm stürzten fünfhundert Mann aus Gilas es Maras’ Leibwache durch das offene Tor in der Westmauer.
    Die Soldaten, die am Vorabend so viel Zeit damit verbracht hatten, es zu verbarrikadieren, hatten es angesichts der Notlage öffnen müssen. Sie hatten zwei Stunden gebraucht, um die Bretter zu entfernen, die mit so viel Sorgfalt vor die drei Tore genagelt worden waren - zwei Stunden, in denen die Sakâs sicher weiter in die Stadt vorgedrungen waren. Es war unbekannt, wie viele es waren - vielleicht ein paar hundert, die an drei verschiedenen Orten der Nordwestecke der Stadt aus den Kellern hervorgestürmt waren.
    Deshalb also wollten die Sakâs unbedingt das Gelände im Westen kontrollieren , dachte Harrakin. Sie wussten, wohin sie wollten .
    Und marschierten nun, wie er annahm, geradewegs auf das Große Tor zu. Sie würden Reynes im Innern durchqueren, sich ihren Weg freikämpfen und das Große Tor von hinten angreifen.
    Wenn es ihnen gelang, es zu öffnen …
    Alle Soldaten, die noch in der Stadt waren, strömten mittlerweile auf die Eindringlinge zu, um ihnen den Weg
zu versperren: die paar Rekruten, die noch in den Festungen postiert waren, die leicht Verwundeten und die Wachsoldaten der Ratsversammlung. Aber das würde nicht genug sein. Die besten Kämpfer von Reynes waren alle draußen, um die Stadt zu verteidigen.
    Drinnen brauchten sie Verstärkung.
    Sobald das Tor offen gewesen war, hatte Gilas beschlossen, in die Stadt vorzudringen. Die Verteidigungslinien ihrer besten Männer zu berauben, war verrückt - die Sakâs waren schon drei- bis fünffach in der Überzahl, und die Verluste wurden mit jedem Augenblick schwerer. Harrakin und die Soldaten, die draußen blieben, unterzeichneten gewissermaßen ihr Todesurteil, indem sie die anderen gehen ließen. Aber wenn der Strom der Sakâs in die Stadt nicht eingedämmt wurde, wäre dies das Ende.
    Arekh war am Morgen verschwunden, die Götter wussten, wohin. Er hatte Amîn Eh Maharoud und fünfzig Mann mitgenommen. Die anderen Nâlas, die jetzt unter Harrakins Befehl standen, verteidigten noch immer die Westflanke.
    Der letzte Soldat passierte das Tor und verschwand auf dem Hof des kleinen Palasts dahinter. Nun fehlte nur noch Gilas. Er gab seine letzten Befehle und trat dann auf Harrakin zu.
    »Viel Glück, Gilas«, sagte Harrakin.
    »Viel Glück auch Euch, König von Harabec«, erwiderte der Offizier mit einem kurzen Lächeln. »Glaubt Ihr, dass wir uns morgen unsere Abenteuer erzählen werden?«
    Harrakin seufzte. »Das bezweifle ich.«
    Mit einem letzten Nicken verschwand Gilas in der Stadt.

     
    Dreißig Sakâs warteten im Pass beim Roten Felsen. An der Spitze ritt ein großer Mann mit braunen Haaren, der einen Streitkolben in der Hand trug. Hinter ihm saß Non’iama auf dem Pferd und hielt sich an seiner Taille fest.
    »Die Befehle sind eindeutig«, wiederholte der Mann mit gesenkter Stimme. »Bei der kleinsten Schwierigkeit töte ich dich.«
    Das Warten schien unendlich lange zu dauern, aber die Sonne war noch kaum am Himmel vorgerückt, als Ayeshas Delegation erschien. Vierzig Raubkatzen. Vor ihnen ritt eine Frau. Die Hälfte ihres Gesichts war blau bemalt, und ihre Haare waren unter einer Kapuze verborgen, aber Non’iama hatte keinen Zweifel.
    Dies war nicht Ayesha.
    Kalter Schweiß lief dem kleinen Mädchen die Wirbelsäule hinab, während der Sakâs sein Pferd einige Schritte weitergehen ließ. Wenn das nicht Ayesha war, dann …
    Sie musste fliehen. Ihre schweißnassen Hände glitten vom Gürtel des Sakâs ab, und er knurrte: »Rühr dich nicht!«
    Die Frau ritt vorwärts und begann zu sprechen, hohle, leere Sätze, denen Non’iama noch nicht einmal zuhörte. Der Sakâs antwortete ihr, und ein Gespräch entspann sich.
     
    Arekh bedeutete seinen Männern, still zu sein, und der kleine Trupp kauerte sich stumm hinter die Felsen. Es waren zehn Mann, zwölf, wenn man Amîn und ihn mitzählte. Der Nâla hatte die unauffälligsten, geübtesten ausgewählt. Das war der Vorteil der Soldaten des Emirats: Ihre Talente als

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