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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Feuer.«
    Day-Yan gab das Zeichen, und exakt zur gleichen Zeit
wurden fünfzig Fackeln in fünfzig Feuerstellen geworfen. Die Flammen loderten zehn Fuß hoch empor. Im selben Augenblick sprangen Ayeshas viertausend Raubkatzen den Befehlen entsprechend auf und brüllten.
    Das Ergebnis war so ohrenbetäubend, als würde die Erde selbst brüllen. Unten auf dem Schlachtfeld hielten sowohl die Soldaten als auch die Sakâs inne, und alle Blicke richteten sich auf die östlichen Hänge des Großen Kreises.
    Fünfzig gewaltige Feuer erleuchteten die Anhöhe, begleitet von einem unwirklichen Schrei, der wie ein Zeichen aus dem Jenseits in den Himmel stieg.
    Marikani hielt den Atem an. Alles hing von diesem Schauspiel ab.
    Jetzt …
    Sie hob den Arm, und Haîk blies oben am Abhang ins Horn.
    Die Raubkatzen stürmten brüllend die Hänge hinunter und stürzten sich auf die Sakâs.
    Sie hatten keine Angriffsstrategie. Ayeshas Raubkatzen verfügten weder über das Geschick noch über die Ausbildung der Truppen aus Harabec und Reynes. Ihr einziger Trumpf war rohe Gewalt. Und darauf baute Marikani, auf schiere Kraft, die von der Inszenierung unterstrichen wurde: blaue Gesichter, lange Haare, das völlige Fehlen von Uniformen und geordneten Formationen. Die Sakâs sahen sich keiner weiteren Armee gegenüber. Sie mussten sich des Ansturms einer wilden Horde erwehren, die blutrünstig direkt auf sie zustürzte.
    Einen Moment lang wirkte das Schlachtfeld wie erstarrt. Die einzige Bewegung war die der Raubkatzen an den Hängen. Und einen Augenblick später trafen beide Seiten
aufeinander. Schreie und das Klirren von Metall tönten bis zu Marikani empor.
    Augenblicke vergingen. Es war unmöglich, herauszufinden, wer die Oberhand hatte. Die Sakâs waren besser bewaffnet und besser ausgebildet, aber sie waren überrumpelt und wurden von hinten angegriffen.
    Einzelne Abteilungen versuchten sich umzudrehen, um sich diesem neuen Feind entgegenzustellen. Marikani war zu weit entfernt, um die Rufe und Befehle zu hören, aber sie sah die Bewegungen, die mitten in der Sakâs-Flut begannen und wie gegenläufige Strömungen in einem Fluss wirkten.
    Dann vermischten sich die beiden Mengen - die der Raubkatzen und die der Sakâs - und bildeten einen gewaltigen Strudel. Marikani ballte die Fäuste und hielt den Blick fest auf das Gelände gerichtet; ihre Fingernägel gruben sich langsam in ihre Handflächen.
     
    Die Frau mit der Kapuze sah den brennenden Pfeil den Himmel durchschneiden. Sie lächelte; dann richtete sich ihr Blick auf Non’iama. »Lauf, Kleine!«
    Und mit wildem Geschrei stürzte sich Ayeshas »Delegation« auf die Sakâs.
    Non’iama brauchte einen Moment, um zu reagieren und zu begreifen, dass die Frau mit ihr sprach. Dann raffte sie allen Mut zusammen und sprang vom Pferd.
    Der Sakâs packte sie am Arm, und mit einem entsetzten Aufschrei biss Non’iama ihn so fest, dass er blutete. Um sie herum waren die Kämpfer bereits aufeinandergetroffen, und die Pferdehufe wirbelten erstickenden Staub auf. Der Barbar stieß einen Schmerzensschrei aus, hob den Streitkolben und schlug zu. Non’iama verrenkte
sich, um dem Hieb zu entgehen, und so traf nur der Griff der Waffe ihre Schulter und brach den Knochen mit einem dumpfen Knacken. Das kleine Mädchen schrie vor Schmerz und krümmte sich nach hinten. Der Sakâs ließ sie los, und Non’iama brach im Staub zusammen; sie wurde beinahe niedergetrampelt. Immer noch schreiend stand sie auf und rannte trotz der fürchterlichen Schmerzen in der Schulter los, zwischen den Pferden hindurch, auf die Felsen zu.
     
    »Zum Angriff!«, schrie Pilanos es Maras. »Vorwärts! Zum Angriff!«
    Rings um das Große Tor waren kaum noch zweitausend Verteidiger am Leben: Männer aus Reynes, Kiranya und Sleys und einige Rekruten. Die meisten Offiziere waren gefallen.
    Pilanos gab seinem Pferd die Sporen und stürmte geradeaus, während die Reyneser Bogenschützen von den Mauern herab eine weitere Pfeilsalve auf ihre Feinde niedergehen ließen. Der Angriff musste sofort erfolgen, da die Sakâs nun von zwei Seiten beschossen wurden und für einen Moment verunsichert waren. Die Gelegenheit würde vielleicht nicht wiederkommen. Die Sakâs-Anführer waren erfahren und würden schnell reagieren.
    Pilanos ritt weiter vorwärts, schrie den Männern zu, ihm zu folgen, und griff den erstbesten Sakâs-Häuptling an, einen hochgewachsenen, in einen braunen Umhang gehüllten Krieger, der schon mehrere Angriffe gegen das

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