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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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»Wir müssen das Signal abwarten. Wenn wir das nicht tun, wird der König begreifen, dass …« Sie hielt inne. »Sind die Feuerstellen bereit?«
    »Sie werden höher brennen als die der Sakâs«, sagte Bara. Nach kurzem Schweigen trat er noch einen Schritt heran, den Blick fest auf Marikani gerichtet. »Ihr … Ich meine, gestern …«
    Er unterbrach sich, zögerte. Marikani achtete nicht auf ihn. Sie starrte nach Westen, zu den Stadtmauern, versuchte sich vorzustellen, was sich bei den Nebentoren abspielte - ohne Zweifel ein wahres Gemetzel.
    Arekh ist nicht dort unten. Er ist nicht dort unten , wiederholte sie sich, um sich zu trösten. Um diese Zeit war er sicher schon in der Nähe des Passes.
    Wenigstens hoffte sie das. Wenn er denn rechtzeitig aufgebrochen war. Wenn er denn nicht in diesem Wahnsinn festsaß.
    Einem Wahnsinn, inmitten dessen Harrakin in diesem Augenblick kämpfte.
    Marikani hatte ihn am Vorabend kaum beachtet. Es war das erste Mal seit Salmyra gewesen, dass sie ihren Mann gesehen hatte, und sie hatte damit gerechnet, heftig darauf zu reagieren. Sie hatte angenommen, von Wut und Hass übermannt zu werden. Aber das war nicht der Fall gewesen.
    »Ihr habt mich gestern Abend nicht benötigt«, fuhr Bara fort. »Ich habe gesehen … Ihr und … ich meine … Wollt Ihr, dass ich Euren Dienst verlasse?«
    »Was?«
    Marikani drehte sich zu Bara um, doch sie war mit den Gedanken noch immer anderswo. »Was?«, wiederholte
sie und schüttelte dann den Kopf. »Meinen Dienst verlassen? Natürlich nicht!«
    Harrakin. Er würde alles geben. Marikani hatte ihn oft auf Schlachtfeldern gesehen. Am Hof war er ein skrupelloser Intrigant, aber wenn das Schicksal Harabecs auf dem Spiel stand, war er zu allem bereit.
    Und jetzt war er dort unten. Vielleicht verwundet, vielleicht schon tot.
    »Wir können unmöglich schon mit dem Angriff beginnen«, sagte sie plötzlich und sah Bara an, als hätte er ihr die Frage noch einmal gestellt. Als wolle sie sich rechtfertigen. »Wenn der König weiß, dass wir Partei ergriffen haben, wird er nicht zu den Verhandlungen erscheinen. Wir müssen ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen - wenn wir jetzt angreifen, verlieren wir einen Teil des Überraschungsmoments.«
    Bara sah sie erstaunt an. »Ayeshas Entscheidungen sind immer richtig«, sagte er nur.
    Marikani musterte von neuem das Schlachtfeld. Nein, sie war Harrakin nicht böse. Als sie ihn wiedergesehen hatte, hatte sie nur eine Art melancholischer Zärtlichkeit verspürt. Sie hoffte, dass er mit dem Leben davonkommen würde.
    Das wird sicher der Fall sein , dachte sie mit einem halben Lächeln. Harrakin war einfallsreich. Wenn es irgendjemanden gab, der aus diesem Krieg unbeschadet hervorgehen würde, dann war er es.
    Ihre Gedanken kehrten zu Arekh zurück, der sicher sein Attentat am Pass vorbereitete. Sie hatte Angst. Sie hatte Angst um ihn, unvernünftige, stechende Angst. Ihr ging auf, dass es ein Fehler gewesen war, die Nacht in seinen Armen zu verbringen, denn jetzt waren ihre Gedanken
noch auf etwas anderes als auf den Krieg gerichtet. Auf etwas anderes als ihr Volk und die Frage, wie sie es retten konnte. Seit Nôm war es ihr gut gelungen, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Und jetzt hatte eine einzige Nacht sie schwach gemacht.
    »Ihr werdet es mir doch sagen?«, flüsterte Bara.
    »Wie bitte?«
    »Wenn Ihr mich nicht mehr haben wollt.«
    Diesmal hörte Marikani es. Sie drehte sich zu ihrem Gefährten um und sah ihn zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs wirklich an.
    Er war sehr blass.
    »Bara«, sagte sie mit zugeschnürter Kehle.
    »Sie sagen, dass ich in Ayeshas Licht stehe«, erklärte er leise. »Aber das tue ich nicht mehr … Nicht wahr? Habe ich Euch enttäuscht?«
    Marikani musterte ihn stumm, ohne zu wissen, was sie sagen sollte. »Nein, Bara … Es liegt nicht an dir. Es ist … kompliziert.«
    »Wenn ich heute Nacht zu Euch komme, werdet Ihr mich dann das Lager mit Euch teilen lassen?«
    Weniger als dreißig Fuß unterhalb von ihnen zerfleischten Männer sich gegenseitig. Hunderte würden fallen, das Schicksal der Königreiche stand auf dem Spiel. Und Marikani fand keine Worte mehr. »Nein, Bara«, sagte sie schließlich. »Es tut mir sehr leid. Das ist vorbei.«
    Bara nickte nur. Marikani richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Schlachtfeld.
    »Wie viele Feuerstellen?«, fragte sie.
    »Fünfzig.«
    »Die Männer wissen, was sie im Augenblick des Angriffs zu tun haben?«

    »Alles ist

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