Volk der Verbannten
sondern »Rettet sie!«. Rettet sie, sie ist eine der Unseren …
Und überall auf Marikanis Weg gehorchten Verbannte, sprangen auf sie zu - und landeten hinter ihr, so dass sie »unabsichtlich« den Soldaten den Weg abschnitten, »ungeschickt« ihre Waren vor ihren Füßen verschütteten, ihr Vorrücken aufhielten. Sie eilten, die Fußsohlen immer im Wasser der Kanäle, auf die Demeana zu, als wollten sie sie beschimpfen und schlagen, stolperten aber theatralisch, wenn sie gerade an ihnen vorüber war, hielten sich so gut sie konnten an den zerbrechlichen Stangen fest, die die Marktstände stützten, und ließen sie hinter ihr und genau vor ihren Verfolgern zusammenbrechen. Sie trugen zum allgemeinen Chaos bei, brachten die Händler zum Schreien und die Männer der zusätzlichen Patrouillen, die nun auf sie zueilten, ins Stolpern.
» Mhali ehaïla! «, ertönte immer wieder die Stimme des Verbannten dort hinten, außer Sichtweite.
» Mhali ehaïla! «, wiederholten die Verbannten, gaben die Nachricht von Kanal zu Kanal weiter, schneller, als Marikani laufen konnte. Es purzelten weiter Früchte, Stände und Planen brachen zusammen, bis die junge
Frau in dem Durcheinander, das sie ausgelöst hatte, vom Markt verschlungen wurde. Für ihre Verfolger war sie verschwunden und entkommen.
Außer Atem stieg Marikani eine steinerne Treppe hinab und fand sich allein wieder. Sie hatte den Markt über sich zurückgelassen und war, ohne es recht zu bemerken, auf einen kleinen, tiefer gelegenen Platz gelangt, der verlassen zwischen drei hohen Mauern lag.
Zwischen den Gebäuden führten zwei Straßen den Hang hinab. Eine weitere Treppe führte zur Linken wieder hinauf.
Einige Schritte über ihr ertönten die Rufe und widersprüchlichen Hinweise der Verbannten:
»Da drüben!«
»Hinter den Fässern!«
»Sie ist nach Osten gelaufen!«
»Nein, nach Norden!«
»In die Gärten da …«
»Gleich hinter Euch, Soldat!«
Eine Hand packte Marikani am Arm, und sie stieß beinahe einen Schrei aus: Aber es war nur Bara, der von nirgendwoher über die zweite Treppe heruntergekommen war. Ohne langsamer zu werden zog er sie in die erste Gasse, und sie rannten auf der gepflasterten Straße weiter, die steil zwischen den Grundstücken hinabführte, die von makellosen Mauern und geschlossenen Türen begrenzt wurden.
Sie bogen ab, liefen noch weiter hinunter, kamen über einen kleinen, verlassenen Platz zwischen prunkvollen Gebäuden.
»Wir werden nicht weit kommen«, stieß Marikani hervor,
als sie an einer Kreuzung stehen blieben. »Wir müssen …« Sie krümmte sich keuchend und schnappte nach Luft. »Die Verbannten … das Wasser … der Hafen … Wir müssen zum Hafen!«
»Wenn wir weiter hinunterlaufen, werden wir zum See kommen«, flüsterte Bara.
Marikani nickte, und sie stürmten die Straße weiter hinab.
Zwischen zwei Mauern westlich einer Treppe sahen sie endlich das Wasser, die glänzende, blaue Oberfläche des Sees, in dem Marikani Arekh vor einer Ewigkeit vor dem Ertrinken gerettet hatte.
»Da!«, keuchte Bara und deutete auf das Wasser. Wie zur Antwort begannen - als hätte er zu laut gerufen - die Glocken zu läuten.
Den Hâla . Den Gesang der Abgründe, die Warnung. Eine Melodie, die fast niemals gespielt wurde, weil sie die Einwohner einer Stadt vor der Gegenwart des Bösen in ihren Mauern warnte. Dieses Lied musste in den Städten des Westens erklungen sein, bevor die Kreaturen der Abgründe sie überrannt hatten …
Sie sind verrückt: In der Stadt wird Panik ausbrechen , dachte Marikani. Die kleine Straße, die sie eingeschlagen hatten, verbreiterte sich plötzlich und öffnete sich zum Ufer hin.
Sie blieben hinter einer Mauerecke stehen, halb versteckt hinter dichten Jasminranken und Saanizweigen, die aus dem Garten jenseits der Mauer hervorwuchsen. Vor ihnen öffneten sich der Hafen und das türkisfarbene, fast kristallklare Wasser des Sees. Im Westen, auf der anderen Seite des Sees, befanden sich eine halbe Meile entfernt die Schiffe des Emirs.
Und hundert Schritt links von ihnen - ganz in der Nähe! - lag ein Dutzend Boote und Barken, in der Mitte ein Fischerboot, in dessen Mast das Symbol des Joar geschnitzt war.
»Die Verbannten«, flüsterte Bara. »Dieses eine Mal sind die Götter mit uns!«
»Da würden sie einen schweren Fehler begehen …«, raunte Marikani, aber Bara hatte recht. Sie hätten sonst wo ankommen können, aber durch einen unerwartet glücklichen Zufall lag die Rettung ganz in
Weitere Kostenlose Bücher