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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Ort aus Schlick und verrottenden Algen auch nur einen Funken Hoffnung?
    Die Verbannten warteten noch immer. Marikani drehte sich zu Bara um und las in seinen Augen Furcht, aber auch dieses fürchterliche Vertrauen, das ihr die Kehle zuschnürte.
    Sie hatte keine Wahl.
    Langsam setzte sie einen Fuß auf die erste Sprosse der Strickleiter.
     
    Ihre Wunden waren so tief und ihre Erschöpfung so groß, dass Arekh geglaubt hatte, dass weder er noch Lionor in der Lage sein würden, aufzustehen oder gar zu gehen. Die letzten drei Tage über hatte man sie über den Boden zu ihren Peinigern geschleift.
    Und doch standen sie auf. Und doch gingen sie. Arekh hinkte und stützte sich an den Wänden ab, um nicht zu stürzen. Lionor schritt in völligem Schweigen vorwärts; nur dann und wann stolperte sie über eine Stufe oder eine Unebenheit im Felsen.
    Sie trugen Ketten an den Füßen, und Arekhs Hände waren mit Handschellen gefesselt. Lionor hatte die Hände frei.
    Die Wachen hatten ihr das Kind gelassen.
    Sie stiegen hinauf.
    Zunächst langsam, fast ohne es zu bemerken, drei Stufen hier, vier Stufen da in Felsengängen, die sanft anstiegen. Sie durchquerten gewaltige, leere Höhlen, an deren Wänden vergessene Ketten hingen, und auch andere
Räume, in denen sich Holztruhen, Bretter, Schilde und verrostete Waffen stapelten.
    Dann erreichten sie eine erste Wendeltreppe, die so eng wie ein Brunnen durch den schwarzen Stein hinaufführte.
    Die Luft war stickig, modrig, wie verschimmelt.
    Eine Ewigkeit verging.
    Sie stiegen noch immer nach oben.
     
    »Ayesha«, sagte der Herr der Verbannten, als er das Zelt betrat.
    Die Morgendämmerung war noch kaum über den Flussarmen angebrochen. Ein zartrosafarbener Schimmer lag über dem Wasser, dem Schlamm und den hohen Pflanzen des Deltas. Marikani war vor Kälte zitternd in dem Zelt eingeschlafen, in das die Verbannten sie geführt hatten. Ihr Schlaf hatte wohl nicht lange gedauert, kaum einige Minuten; dennoch waren ihre Gliedmaßen steif und eiskalt. Ein leichter Feuchtigkeitsfilm bedeckte ihre braune Haut.
    Nur einige Augenblicke der Bewusstlosigkeit - und doch waren ihre Träume weit, sehr weit, davongeeilt … wieder in die Tunnel. Sie rannte, von unförmigen Wesen verfolgt. Arekh und Lionor waren an ihrer Seite. Dann verwandelten sich die Tunnel in einen Vorplatz … den des Palasts von Harabec, wo sie sich alle drei auf die Stufen setzten, um darauf zu warten, dass die Sonne sie wärmte. Aber sie froren immer noch.
    Die Bilder des Traums weigerten sich, sich zu verflüchtigen. Marikani musterte den Herrn der Verbannten einen Moment lang, bevor sie ihn erkannte. Dann stand sie mühsam auf; alle Knochen taten ihr weh.

    Bara kauerte am Zelteingang. Sein Gesicht war blass, und er wirkte sehr erschöpft. Er hatte wohl Wache gehalten.
    Wie lange hatte er schon nicht mehr geschlafen? Er benötigte Ruhe, noch mehr als sie. Wenn er so weitermachte, würde er nicht mehr lange durchhalten.
    »Ayesha«, wiederholte der Herr der Verbannten. »Habt Ihr geschlafen?«
    Marikani holte tief Luft und schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken zu klären. Dann zwang sie sich zu lächeln. »Oh, bitte nicht! Nicht Ihr!« Der Herr der Verbannten musterte sie erstaunt, und sie fügte hinzu: »Nicht ›Ayesha‹.«
    Der Herr der Verbannten nickte. »Gut. Wie dann?«
    »›Marikani‹ wäre perfekt.«
    »Wie Ihr wünscht.« Der Herr der Verbannten verneigte sich leicht und deutete dann auf die Treppe, die zum Oberdeck hinaufführte. »Folgt mir bitte.«
    Als sie oben angekommen waren, fuhr er fort: »Der Name ist allerdings interessant. Die Tochter des Gottes, dessen Namen man nicht nennt - oder die Fîrs, je nachdem, welcher Legende man folgt. Nicht viele können sich einer solchen Abstammung rühmen. Ist es nicht schmeichelhafter, die Tochter eines Gottes zu sein als die eines Sklaven, den man wie einen Ochsen auf dem Pflaster eines Hofs abgestochen hat?«
    Marikani starrte ihn entsetzt an. Es schockierte sie, ihre Vergangenheit in derart groben Worten ans Tageslicht gezerrt zu sehen. Am Ende zuckte sie mit den Schultern. »Ich nehme an, die Seelenleser haben mein Leben ganz genau untersucht. Meine Geschichte ist kein Geheimnis mehr.«

    Der Herr der Verbannten nickte. »In der Tat. Seit dem Tag des Großen Opfers haben sich verschiedene Gerüchte überall wie ein Lauffeuer verbreitet. Die, die Euch betreffen, sind oft widersprüchlich oder unsinnig. Ich habe mich für das glaubwürdigste entschieden. Ist

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