Volk der Verbannten
übrigen Flüchtlingen gemein. Venina sah Arekh an; er hob die Hand und bedeutete ihr zurückzutreten. Die Männer zogen sich langsam vom Eingang zurück und musterten den Neuankömmling.
Pier ging mit einem Lächeln auf den Lippen quer durch die Höhle geradewegs auf Arekh zu, ohne auch nur einen Moment lang zu zögern.
»Arekh«, sagte er und verneigte sich. »Ich freue mich, Euch wiederzusehen. Wisst Ihr, dass Ihr gar nicht so leicht zu finden wart?«
Arekh war zu überrascht, um zu reagieren. Pier musterte ihn einen Augenblick, bemerkte sicher die Narben in seinem Gesicht und auf seinen Armen und seinen abgemagerten Körper; dann schüttelte er den Kopf. »Ich habe schon Schlimmeres gesehen.«
»Wie …« Arekh legte Pier die Hand auf die Schulter; er traute seinen Augen immer noch nicht. »Pier … Was macht Ihr hier?«
Lionor kam neugierig näher heran und blieb einige Schritte von dem Priester entfernt stehen; sie musterte ihn argwöhnisch. Arekh fing den Blick eines der »Händler« auf und gab ihm das vereinbarte Zeichen, den Plan zu unterbrechen.
Die sieben Komplizen zerstreuten sich, warfen aber misstrauische Blicke auf Pier.
»Wer ist das?«, fragte Lionor und trat an Arekhs linke Seite.
»Ehari Mar-Arajec, nehme ich an?«, sagte Pier und vollführte eine höfische Verneigung. »Ich bin entzückt, Euch endlich kennenzulernen.«
Lionor antwortete nicht, sondern sah Arekh an; er wies mit dem Kinn auf Pier. »Pier ist … ein Freund«, sagte er, selbst erstaunt darüber, dass er diesen Begriff verwendete. »Er arbeitet in den Bibliotheken des Ratsgebäudes und war eine Zeitlang Botschafter bei den Shi-Âr von Salmyra. Er hat mich rekrutiert, als ich dort in den Krieg gezogen bin.«
»Das ist eine Falle«, sagte Lionor eisig.
»Nein«, erwiderte Arekh schlicht. »Pier«, fuhr er leise fort, »erklärt Euch - schnell. Wir sind … Sagen wir es so, die Situation könnte uns rasch entgleiten.«
Pier sah sich zum ersten Mal um; sein kurzsichtiger
Blick blieb an den Wachen, den Männern, die ihn beobachteten, und an der zögernden Venina hängen. »Dies ist kein sicherer Ort«, verkündete er schließlich und schob den Zwicker zurück in die Hemdtasche. »Ihr hättet nie mit Mas Dravec verhandeln dürfen. Er ist nicht vertrauenswürdig.«
Arekh versuchte, nicht allzu gereizt zu klingen. »Es freut mich, dass Ihr uns davon in Kenntnis setzt. Was hätten wir ohne diese Information nur getan?«
Pier lächelte leicht. »Ihr könnt jetzt gehen. Ich habe für Eure Abreise und die der Ehari Mar-Arajec bezahlt.«
Arekh runzelte die Stirn und sah sich dann zögernd um. »Warum …«
»Ihr werdet zu Ayesha stoßen«, sagte Pier. »Nicht wahr?« Arekh schwieg. »Ich will Euch begleiten. Ich habe Männer … achtzig Nâlas aus dem Emirat unter Amîn Eh Maharoud. Erinnert Ihr Euch?«
Der Name war Arekh vertraut, aber er hatte zu viel erlebt, und Wörter und Gesichter vermischten sich in seinem Verstand. Er runzelte die Stirn, suchte. »Essin.«
»Ja, Essin. Euer Adjutant in Salmyra. Amîn ist sein Bruder. Die Familie Maharoud will sich Manaîn, dem Neffen des Emirs, nicht beugen. Die meisten Adligen haben sich ihm angeschlossen, aber das Haus Maharoud ist in mütterlicher Linie mit einem Zweig des Herrscherhauses verwandt, der demjenigen, dem Manaîn entstammt, schon immer feindlich gegenüberstand. Im vierundzwanzigsten Jahrhundert hat die älteste Tochter des …«
»Pier!«, unterbrach ihn Arekh.
»Gut, gut. Amîn und seine Männer verweigern Manaîns Befehle - und die aus Reynes. Sie wollen gegen die Sakâs kämpfen, aber unter anderer Führung. Etwa unter der
Ayeshas. Das Problem ist nur der Empfang, der ihnen bereitet werden wird. Aufgrund der angespannten Beziehungen zwischen Ayashinata Marikani und dem Emirat … Ayesha hat naturgemäß gute Gründe, misstrauisch zu sein, und wird Reitern des Emirs noch viel mehr misstrauen.« Ayashinata Marikani. Der alte Titel klang in Arekhs Ohren seltsam. Es war so lange her, dass er ihn zuletzt gehört hatte. »Aber wenn Ihr sie führt, wird sie Euch anhören. Sie brauchen einen Anführer. Ihr habt bei den Männern des Emirats einen eindrucksvollen Ruf und …«
Lionor unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Die Gründe spielen keine Rolle. Ihr könnt uns hier herausholen? Dann lasst uns gehen.«
Arekh sah zögernd die Flüchtlinge ringsum an.
»Perfekt«, sagte Pier. »Ich weiß, wie ich Euch durch den Mauerring bringen kann. Amîns Männer warten vierzig
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