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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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kommt man sich ja vor wie in Aktenzeichen XY !», fasste die Nidetzky die Sachlage vor allem für die älteren Mitbürger sehr plastisch zusammen. «Zuerst die Mantlerin, jetzt der Willi. Was um Gottes und Maria willen ist denn da nur los? Was haben die denn miteinander zu tun gehabt?»
    «Keine Ahnung», räumte der Heimeder Kurtl mit ungewohnt verdüsterter Stimme ein. Und das wollte nun wirklich was heißen, denn sonst hatte der Kurtl ja praktisch von allem eine Ahnung.
    «Weniger als die zwei kann man eigentlich überhaupt nicht mehr miteinander zu tun haben», befand auch der Achter-Hiefler und gelangte zu einer erschreckenden Schlussfolgerung. «Und wisst’s ihr, was das bedeutet? Jeder von uns kann der Nächste sein.»
    Jemand legte Suchanek von hinten väterlich eine Hand auf die rechte Schulter. Es riss ihn, als hätte man ihn mit einem Taser beschossen.
    «Vergesst’s nicht», begann der Neuner-Ranreiter und quetschte Suchaneks ohnehin schon schwer geprüften Oberkörper in einer Geste, die er wohl als beschützend verstanden wissen wollte. Vielleicht hatte er nach dem Match doch irgendwie das Gefühl, er habe etwas gutzumachen. «Der kleine Suchanek wäre ja eh fast schon der Nächste gewesen!»
    Und dann fügte er mit bebender Stimme hinzu: «Der Achter hat recht. Wir haben einen Serienkiller unter uns. Vielleicht sogar jetzt. Gerade. In dieser Sekunde.»
    Dieser Gedanke hob die Stimmung jetzt nicht beträchtlich. Zum Ersten war es natürlich recht unerfreulich, wenn der Nachbar, der gerade zur Tarnung sein zweites Krügerl bestellte, ein blutrünstiges Monster war, der einem mit bloßen Händen die Leber herausreißen würde, wenn man kurz einmal nicht hinschaute.
    Und zum anderen war es ja auch so: Wenn alle verdächtig waren, war man ja selber auch verdächtig. Und das kann schon peinlich sein auch.
    Wie schaute man jetzt zum Beispiel drein, um so einen Verdacht gleich von Anfang an im Keim zu ersticken? Forsch in die Runde, in jedes Auge, das es ebenso offensiv anlegte? Oder lieber betreten zu Boden? Könnte Ersteres nicht von sensiblen Gemütern als lüsterne Sondierung des Opfermarkts missverstanden werden? Und Zweiteres nicht als Anflug von Reue? Oder Verschleierung der bösen Absicht?
    «Ich sag euch was: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste! Ich geh nicht mehr auf die Straße, wenn’s finster ist. Ich sperr mich daheim ein und rühr mich nicht mehr heraus», beschloss die Nidetzky.
    «Na, da wünsch ich dir viel Glück, Erna», antwortete der Achter. «Der Johanna hat es ja auch viel genützt, dass sie daheim war. Und zugesperrt hat sie sicher auch gehabt. Und du doch auch, oder, Suchanek?»
    «Ja», sagte Suchanek. «Natürlich.»
    Falls es in diesem Bierzelt noch irgendwo letzte Reste von Sicherheitsgefühl gegeben hatte, verpufften sie in dieser Sekunde vollkommen rückstandsfrei.
    «Vielleicht ist es ja auch kein Serienkiller», versuchte Suchanek entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten beruhigend auf seine Mitbürger einzuwirken, wobei ihm gleich darauf selber nicht mehr klar war, inwiefern das jetzt irgendwie beruhigend sein sollte. «Bei mir hat es ja immerhin ein klares Motiv gegeben, weil ich ihn beim ersten Mord gesehen habe. Also, eigentlich bei seinem zweiten.»
    Natürlich. Aufgrund von Willis Farbe, die selbst die ähnlich kolorierte Burli-Urli nicht mehr als «gesund» bezeichnet hätte, war auch ohne einen Doktor in Madenkunde, den man ja heute an sich brauchte, um mitreden zu können, zu erkennen, dass er auf jeden Fall vor der Johanna umgebracht worden war.
    «Was glaubt’s ihr? Wie lang ist er denn schon in dem Rohr gelegen?», fragte der Neuner-Ranreiter. Es schien ihn bei dem Gedanken an Willis aktuelles Äußeres leicht zu schütteln. Wiewohl man ja sagen musste, dass auch Willis nunmehr unaktuelles Ansehen nie sonderlich reizvoll gewesen war. «Wie lang kann es dauern, bis eine Leiche … Also, bis man so aussieht? Und seit wann hat es eigentlich bei der Lacke schon gestunken?»
    Unbehagliches Schweigen breitete sich aus. Wieso fragte er nur so was Grausliches? Eigentlich wollte keiner darüber nachdenken, wie lange der Willi da schon vor sich hin gemodert war. Aber natürlich tat es jetzt jeder.
    Jedem, der in der letzten Zeit bei der Lacke vorbeigekommen war, und das waren ja die meisten irgendwann einmal, war es aufgefallen, dass es gestunken hatte. Sonst wäre der Spakowitsch ja nie auf die Idee gekommen, das Rohr durchzuputzen. Und es war ja schon seit leicht

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