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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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verdachtstechnische Manko war bloß: Särge im Maßstab … 1 : 4 ? Wenn der Bertl da irgendwo drin war, dann nicht mehr in einem Stück. Wahrscheinlich war er sogar auf drei aufgeteilt: Oberkörper, Unterkörper und eine Kiste für den Kopf.
    «Was tun Sie da?», fragte Gerry streng.
    «Was soll das heißen, was wir da tun? Geht das leicht irgendwen was an?», herrschte ihn Palenak an. «Glaubt ihr wirklich, ihr könnt da auf meinem Hof Räuber und Gendarm spielen, und ich lass mir das gefallen? Und glaubt ihr wirklich, ich fürchte mich vor einem dummen Buben, der nicht einmal weiß, wo bei seinem Gewehr hinten und vorne ist?»
    Wenn es um sein Auto oder um seine Ehre ging – oft einmal war das ja auch dasselbe –, da kannte der Keller Gerry nichts. Er stellte sich schulmäßig breitbeinig und leicht schräg hin, um dem Gegner eine kleinere Angriffsfläche zu bieten, falls der überraschend zum Angriff übergehen sollte, hob die Flinte noch ein bisschen höher und fiepte: «Also, mein Ende dürfte das hintere sein. Und ihres?»
    Die Gerstmeierin legte Palenak eine Hand auf den Arm. «Lass gut sein. Das zahlt sich doch nicht aus, Ansgar.»
    Gerry schaute drein, als erwäge er schon allein wegen dieses Namens eine standrechtliche Erschießung. «Also: Was ist in diesen Särgen?»
    «Aber, Gerry! Die sind irrsinnig klein, das können doch unmöglich …»
    Keller brachte Suchanek mit einer herrischen Geste zum Schweigen. «Noch einmal: Was ist da drin?»
    «Kinderleichen», sagte die Gerstmeierin zuckersüß. «Eins, zwei, drei, vier … sechs. Sechs Kinderleichen.»
    Gerry zuckte zusammen. Grasel und Suchanek warfen einander einen Blick zu, der ziemlich genau aussagte: oje.
    «Lass die Herren Hilfspolizisten halt in eine Kiste reinschauen, Ansgar. Die nehmen ihren Job sehr ernst. Das muss man würdigen.»
    «Ja!», befahl Keller. «Aufmachen, aber sofort!»
    Palenak schaute ihn grimmig an und riss dann ruckartig den Deckel einer der Kisten hoch. Die drei prallten angewidert zurück.
    «Uäääh!», rief Gerry. «Was ist das denn?»
    In der Kiste wuselte und schleimte es. Tausende Würmer ringelten sich in stillem Protest gegen die überfallsartige Tageslichtattacke.
    «Das sind Würmer, Gerald», sagte die Gerstmeierin zoologisch überraschungsfrei. «Schon einmal gesehen? Die leben in der Erde, weißt du?»
    Suchaneks Blick schweifte haltsuchend umher. Er fand etwas. Und wenn er nicht an dieser furchtbaren chronischen Lesehemmung leiden würde, dann hätte er, das musste er zugeben, durchaus schon früher erkennen können, was da in leicht klobigen Eigenbaulettern auf dem Kastenwagen stand.
    ERD - REICH
    Vollbiologischer Wurmkompost
    Gerstmeier & Palenak GmbH
    Er stupste den Grasel an und wies auf das Logo. Die Gerstmeierin lächelte.
    «Unsere neue Firma. Seit dieser Woche im Handelsregister. Braucht wer was für seine Paradeiser? Oder vielleicht für deine Hasch-Stauden, Alex?»
    Grasel lief dunkelrot an. «Woher wissen Sie …?»
    «Ich war 35  Jahre lang Gemeindesekretärin. Du willst gar nicht wissen, was ich noch alles weiß.»
    Der Keller Gerry wollte das Gewehr eigentlich nicht sinken lassen, verspürte aber starken sozialen Druck, es zu tun.
    «Und die Leichen?», fragte er mit schwindender Hoffnung.
    «Von den Würmern gefressen!», sagte die Gerstmeierin. «Oder vielleicht sind noch ein paar Reste da, unten, am Boden von der Kiste. Magst nachschauen?»
    Palenak machte kurz Anstalten, sich die Hemdsärmel hochzuschieben und dem Kellerkind zu zeigen, wie kernig Bio sein konnte, aber die Gerstmeierin hielt ihn zurück. Suchanek wiederum konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wie man diese Peinlichkeit, an der sie nun klebten wie Fliegen auf einem Leimstreifen – wobei sie ungefähr mit demselben Aufwand an Intelligenz dorthin geraten waren –, beenden könnte. Er versuchte, möglichst unbeteiligt irgendwohin zu schauen, wo keiner zurückschaute. Sollte er jetzt was sagen? Sich entschuldigen vielleicht? Und warum sagte der Grasel nichts?
    Doch dann hatte der Himmel einmal, wenigstens dieses eine Mal ein Einsehen und schickte einen rettenden Engel.
    Diesmal näherte sich das Geräusch auf dem Feldweg. Ein Auto kam näher. Ein grauer GTI mit Zusatzscheinwerfern, Spoilern und eh allem. Er rollte langsam heran und blieb dann bei der offenen Hofeinfahrt stehen. Auf dem Beifahrersitz saß das Mädchen mit den zweifärbigen Haaren, das Suchanek am Tag zuvor bei Willis großem Auftritt gesehen hatte. Quer

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