Volksfest
fest umklammert in der Waagrechten. Seine Fingerknöchel waren weiß. Ausgerechnet an ihn hatte Suchanek bei all seinen neueren Überlegungen hinsichtlich des Mörders irgendwie nicht mehr gedacht. Warum eigentlich noch einmal nicht?
«Also gut», sagte Grasel jetzt ruhig. «Die Wahrheit ist: Wir wollten unauffällig schauen, ob wir beim Palenak im Hof irgendwas Verdächtiges sehen.»
«Und warum glaubt ihr, dass ihr dort was Verdächtiges sehen könntet?»
«Weil die Gerstmeierin und der Palenak irgendwas Komisches tun miteinander», schaltete sich jetzt doch auch Suchanek wieder ein.
Dem Keller Gerry war ja natürlich schon klar, dass man mit der Gerstmeierin allerhand Komisches tun konnte. Er hatte da sogar ein Magazin. Es hieß «Granny XXX », und manche Seiten ließen sich nur noch recht schwer umblättern.
«Und was sollte das sein?», gluckste er wieder, diesmal aber mit erwartungsvollem Beigeschmack.
«Das weiß ich auch nicht. Aber die haben irgendein Geheimnis. Ich hab sie gestern belauscht, wie sie über einen Plan geredet haben, den sie durchführen müssen, weil es sonst eine Sünde wäre und so. Und sie haben von Würmern geredet, die den Rest erledigen sollen. Und jetzt sind wir misstrauisch geworden, weil das Auto von der Gerstmeierin da im Hof steht. Wir glauben, die zwei könnten was mit dem Verschwinden vom Bertl zu tun haben.»
Jetzt gab es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Wenn der Gerry der Mörder war, dann würde ihn diese Geschichte, die ja noch dazu die Wahrheit war, eigentlich davon überzeugen müssen, dass die zwei dämlichen Amateurschnüffler zumindest einmal nicht auf seiner Spur waren und er ihnen also nicht das Licht ausblasen musste. Und wenn er nicht der Mörder war, dann würde sie ihn hoffentlich genauso dazu veranlassen, mit seinem Schrotprügel endlich woandershin zu zielen.
Keller schien nachzudenken. Immerhin. Suchanek suchte in der Zwischenzeit hinter ihm die Landschaft ab. Aber kein anderer Waidmann pirschte in diesem Revier. Wenn Gerry auf eine Trophäe aus war, dann konnte ihn nichts und niemand daran hindern, sie sich jetzt zu holen. Er schaute noch einmal von Suchanek zu Grasel. Und wieder zurück. Und dann ließ er langsam das Gewehr sinken.
Das war zweifellos ein Fortschritt. Es sagte allerdings leider nichts Letztgültiges darüber aus, ob er jetzt zu den Guten gehörte oder nicht. Aber da konnte man sich beim Keller Gerry sowieso niemals sicher sein.
«Und?», sagte er dann. «Gibt’s jetzt beim Palenak was Verdächtiges zu sehen oder nicht? Irgendeine Spur vom Bertl?»
«Wissen wir noch nicht. Wir wollten uns gerade ein Stück näher hinschleichen. Und dann bist du gekommen.»
«Na gut. Also dann», sagte Keller, brachte seine Schrotflinte wieder in Hüftschussposition und marschierte wie vorhin der Grasel einfach los, auf Palenaks Hof zu. Grasel hob die Handflächen nach oben und verzog den Mund. Dann ging er ihm nach. Schließlich folgte, widerwillig, aber doch, auch Suchanek, weil er dachte, sie würden vorderhand ohnehin nur einmal vorbeischlendern. Wieder einmal eine punktgenaue Einschätzung.
Hinter dem Käfer parkte noch ein anderes Auto, das sie vorher nicht hatten sehen können. Ein großer, weißer Kastenwagen. Seine Türen waren offen. Die Gerstmeierin und der Palenak standen da und schauten irgendwie nachdenklich auf einige Kisten, die sie offenbar gerade ausgeladen hatten. Dann bemerkte die Gerstmeierin die auf sie zurollende Prozession der Racheengel.
«Oha», sagte sie, «die Bürgerwehr.» Sie schaute auf die Flinte in Gerrys Händen und dann auf Suchanek und Grasel. «Komisch. Gerade von euch beiden hätte ich eigentlich nicht erwartet, dass ihr bei so was mitmacht.»
Suchanek bemühte sich um Schadensbegrenzung – immerhin bestand ja noch eine Restchance, dass die beiden keine mörderischen Christenspinner waren – und sagte: «Der gehört nicht zu uns!»
Das kränkte den Gerry jetzt zwar ein wenig, weil er an sich in diese neue Jagdfreundschaft große Hoffnungen gesetzt hatte, aber das würde er klären, sobald der Einsatz hier zu Ende war.
Der Palenak wurde wütend. «Was wollt’s ihr in meinem Hof? Mit einem Gewehr noch dazu? Schaut’s, dass ihr weiterkommt’s.»
«Die Kisten», stieß der Keller Gerry hervor, nicht ohne Palenak ganz genau im Auge zu behalten.
«Was ist mit den Kisten?», sagte Grasel.
«Die schauen aus wie Särge!»
Da hatte er nicht einmal unrecht. Sie erinnerten tatsächlich an Särge. Das einzige
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