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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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im Falle es sich begäbe, daß ich auf der Wahlstatt sterben müßte, so bitte ich, lasset mich auf dieser Höhe begraben und machet mir ein Grab, welches eine lange Zeit währen kann zum Gedächtniß; denn ich heute allhier viel Sotzer tödten und den Wlatislaus, ihren Herzog, vor euren Augen mit meinem Schwerdte erlegen muß.«
    Mittlerweile kamen sie gar nahe an einander. Und als der Stier die Gelegenheit ersah, schrie er die Seinen an und sprach: »nun ihr, meine Lieben, schlaget nun getrost drein.« Sprengte hiermit unter den Feind. Die Prager folgten ihm nach, nicht anders, wie Bienen ihrer Weisel nachzufliegen pflegen. Also sprengten sie die Sotzer von der Höhe an und schlugen alles darnieder, was ihnen unter die Hände kam. Der Stier arbeitete mit seinem Schwerdte nicht anders, als wenn einer mit der Sense Gras hiebe; also kehrte er dem Feind den Staub von den Köpfen, daß ihnen das Gesicht und das Gehör verging.
    Die Schlacht währete lange und der Sieg wankte von einer Seite auf die andere. Da hörete man von dem Volke ein Geschrei, ein Geklirre von Schwerdtern und ein Getümmel der Rosse. Und unter dem Haufen der schönsten Reisigen und gewappnetsten Kriegsleute ersahe der Stier einen Mann, von schöner Gestalt, in einem zierlichen Harnisch, welcher einen vergüldeten Helm auf seinem Haupte hatte und auf den die andern Achtung gaben. Verstund derhalben wohl, daß es der Wlatislaw sein müßte und gedacht' ihm beizukommen. Aber seine Ritterschaft beschützte ihn dermaßen, daß der Stier wohl in zweien Stunden nicht zu ihm kommen konnte. Mittlerweile aber, ehe denn er sich zu ihm arbeitete, mußten in die hundert Sotzer von seinem guten Schwerdte niederfallen; dennoch entwich der Wlatislaw vor dem Stier und verbarg sich hinter die andern. Da schrie ihn der Stier an und sprach: »ich sehe dich gar wohl, du blutgieriger Tyrann; du bist derselbe, der du deine Vögel mit unserem Fleische hast speisen wollen. Du sollst kurz erfahren, daß du deinen Vögeln selbst zur Speise werden mußt; ich will bald mein Schwerdt mit deinem Blute tränken und die fliegenden Vögel mit deinem Fleische speisen.«
    Drang also auf ihn zu, hieb ihm seinen Schild entzwei und in dem andern Streich spaltete er ihm den Kopf, sammt dem Helm, von einander, daß er von dem Roß auf die Erden todt nieder fiel. Bald machten sich viele der Sotzer über den Stier, hieben, stachen und schossen auf ihn los und fügten ihm viel Schaden zu. Die Prager retteten ihn auf's beste, aber sie schaften wenig. An diesem Orte lag ein großer Haufen der Ermordeten, auf dieselben fiel der Stier auch nieder und starb. Wer ihn aber tödlich verwundet hatte, kann niemand eigentlich wissen. Also blieb des Neklans Volk viel auf der Wahlstatt, von des Wlatislaus sind ihrer wenige entkommen.
    Der erste aus den Flüchtlingen ist der obgedachte Straba gewesen, welcher durch Lehr und Unterweisung seiner Stiefmutter heim kam. Er fand sein Weib gleich mit dem Tode ringend, hatte an ihrer Brust einen großen Schaden, welchen sie von einem Schwerdte empfangen. Er besah den Schaden mit Fleiß und konnte spüren, daß er ihr denselben zugefüget; verwunderte sich darüber und sprach: »ich will noch besser auf den Grund kommen;« zog hiemit beide Ohren aus der Tasche, hielt ihr dieselben an den Kopf und befand also gründlich, daß sein Weib derjenige Feind war, welchen er in der Schlacht geschlagen; und sie verschied zur selben Stunde. Also konnte Straba verstehen, daß sein eigen Weib den Pragern zu Hülfe wider ihn gezogen war; denn sie war der Geburt von Prag und hatte in des Neklans Herzogthum viel Freundschaft. Deswegen sie denn ihren Freunden zu Hülfe ziehen und ihren Mann heimlich umbringen wollen.
    Nach solchem Siege wurden alle die Leute, welche bei den Erschlagenen gefunden, in die kleine Stadt Prag geführt und daselbst unter die Kriegesleute zugleich getheilt. Auf den Morgen begrub man der Freunde und Feinde Körper auf der Wahlstatt. Aber dem Stier wurde auf Befehl Neklan's ein Grab an dem höchsten Orte, über Cheinow, bei einer Eiche, köstlich und herrlich zubereitet, welcher Ast bis auf den heutigen Tag die Eiche des starken Ritters genannt wird.
     
21. Der ungetreue Vormund.
     
    Als diese Dinge nun alle gestillt (die Erzählung schließt sich unmittelbar an die vorhergehende), setzte sich Neklan auf den fürstlichen Stuhl nieder und fragte nach des Wlatislaus Gesinde. Unter andern wurde ihm gesagt, daß Zbislaw, Sohn des Wlatislaus, ein Knäblein

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