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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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kaufen wollte, noch verschlossen, und wollte wieder zu ihrem Kerker zurückkehren.
    Aber, der Taumel ihrer Gedanken machte sie schwindeln. Sie verfehlte den Weg in der Stadt und halb besinnungslos stand sie mit einemmale auf dem Marktplatz, in der Mitte derselben. Es war noch so früh am Tage, daß sie auch hier keinen Menschen sah. Sie richtete ihren niedergesenkten Blick in die Höhe, und sahe die Rolandssäule an der Ecke des Rathhauses. Ueberwältigt von ihrem Jammer, und von dem Drang, ihrem vollen Herzen Luft zu machen, warf sie sich vor dem steinernen Bilde auf die Knie, und erzählte diesem unter Strömen von Thränen und lautschluchzend ihre Leiden und die Abscheulichkeiten, die sie in der Raubhöle gesehen und gehört hatte.
    Ein vorbeigehender Gerichtsdiener hörte einen Theil ihrer Beichte, und nöthigte sie, mit ihm zu dem Schöffen zu gehen. Hier, da sie ihr Geheimniß schon verrathen sahe, und von drei Priestern feierlich ihres Eides entbunden wurde, erzählte sie ohne Rückhalt, was sie wußte, und versprach auch, den listigen Räuber den Richtern zu überliefern. Dann eilte sie, so schnell sie konnte, nach der Höle zurück, und bestreute den Pfad, der sich durch das Gebüsch zu derselben hinauf wand, mit einzelnen Erbsen, welche ihr die Richter zu dem Behuf mitgegeben hatten.
    Der Verabredung gemäß, erschienen den folgenden Tag die Schöffen mit zehn wohlgerüsteten Lanzknechten an dem bezeichneten Abhang des Berges, in dem die Höle des Räubers lag, und vertheilten sich in dem Gebüsch. Bald spähten sie auch den bestreuten Weg aus. Da sie aber nicht hoffen konnten, mit offenbarer Gewalt in die Höle einzudringen, welche eine starke eiserne Thüre und große Schlösser und Riegel verschlossen; so warteten sie versteckt den Augenblick ab, den ihnen Suse als den einzigen genannt hatte, wo sie hoffen konnten, den Räuber zu überraschen.
    Jetzt war es Mittag, und warm schien die Sonne. Da hören sie über sich den Schall einer kleinen Glocke, womit ihnen Suse ein Zeichen gab, und bald nachher das Knarren der Riegel und Schlösser an der eisernen Thür der Höle, die jetzt geöffnet wurde. Sie sahen auf, und heraus tritt Suse, und ihr folgt der furchtbare Räuber. Suse setzt auf einen kleinen, freien, sonnebeglänzten Vorplatz am Abhang des Berges sich hin, neben ihr lagert sich Daneel in das hohe Gras, und legt seinen Kopf auf ihren Schooß, wie er alle Tage bei heiterm Wetter zu thun pflegte, um so des Mittagsschlafes zu genießen. Die neue Delila streichelte ihm Wangen und Kopf, bis er einschlief.
    Als sie ihn fest zu schlafen glaubte, gab sie den versteckten Lanzknechten, durch ein leises Pfeifen mit dem Munde, das verabredete Zeichen, über den Räuber herzufallen. Diese arbeiteten sich den Abhang heran. Doch Daneel, den das ungewohnte Pfeifen schon halb geweckt hatte, fuhr, als er das Rauschen der Büsche um sich her hörte, plötzlich auf, blickte umher, und sahe bewaffnete Männer, die von mehrern Seiten sich ihm nahten. Augenblicklich sprang er auf, und wollte Suse mit sich in die Höle reißen. Da diese sich aber aus allen Kräften sträubte, so stürzte er allein in die Höle, warf die eiserne Thür hinter sich zu, und verrammelte sie mit Riegeln und Felstrümmern und Baumstämmen.
    Da standen nun die Lanzknechte und ihre Anführer vor der langgesuchten Höle, hatten den Räuber, der ihnen so oft entgangen war, umringt gehabt, und sahen sich von neuem getäuscht. Vergebens bestürmten sie den Eingang mit ihren Waffen, und mit Stangen, die ihnen der Wald darbot; die feste Thür wankte nicht unter ihren Schlägen. Auch wünschte keiner der erste zu sein, der auf den Räuber in der offnen Höle träfe; und so hoben sie für jetzt den stürmenden Angriff auf, und hielten Kriegsrath.
    Schöffen und Lanzknechte stimmten, nach langer Berathung, als das sicherste, darauf, den Räuber in seiner Felsenburg auszuhungern. Ein Eilbote sollte die glückliche Verhaftung des Unholds in der Stadt verkünden, und Lebensmittel für die Belagernden, und noch Verstärkung, wegen eines zu befürchtenden Ausfalls, herbeiholen. Aber Suse sagte den Berathenden: Daneel habe schon seit mehrern Jahren auf solche erwartete Fälle sich in Bereitschaft gesetzt; er sei immer auf mehrere Wochen mit Lebensmitteln und mit Wasser versehen. Diese Frist schien den Kriegern zu lange; sie gaben also jenen Entwurf der Aushungerung auf, und jeder that einen neuen Vorschlag, wegen der Bestürmung, Untergrabung und Sprengung des

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