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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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Kapitel 38 erzählt nachfolgende Geschichte: In der Provinz Deir, nicht weit von meinem Vaterland', hat sich diese wunderbare Geschichte zugetragen, welche ich von Jugend auf weiß:
    Es ist ein Flecken, etliche Meilen Weges vom Orientalischen Meere gelegen, dabei die berühmten Wässer Vipsä genannt, aus welchem Flecken ein Bauer zu seinem Freund', im nächsten Flecken wohnend, ihn zu besuchen gezogen. Und als er in eiteler Nacht wieder nach Hause verreisen wollte, siehe! da hat er in dem nächsten Berge, welchen ich oft gesehen habe, der zwo oder drei Stadien vom Dorfe liegt, liebliche Stimmen der Sänger und ein lustiges Gelach' gehöret. Er verwunderte sich, wer dort an dem Ort in solcher Nacht, mit so herrlichen Freuden, der Nacht ihre Ruhe zerstört und hat solches selbst sehen wollen. Als er an der Seite des Berges eine offene Thür bemerkt, ist er hinzugetreten und hat hinein gesehen, allda er ein schön, weit und scheinbarlich Haus erblickt, so da ganz voll war von Mann und Weibspersonen, so da zu Tische saßen.
    Einer aber aus den Aufwärtern, als er ihn gesehen an der Thüre stehen, hat ihm einen Becher gebracht, welchen, nachdem er ihn genommen, er mit Fleiß nicht hat wollen trinken, sondern hat ihn ausgegossen, den Becher behalten und ist schnell davon gerannt. Als sich ein Tumult in der Höle, wegen des Bechers, erhob und ihm etliche nacheileten, ist er mit seinem schnellen Pferde davon geritten und hat sich mit seinem Raube in den Flecken begeben. Solcher Becher von unbekannter Materie, einer seltsamen und ungewöhnlichen Farbe und Form, ist Heinrich, dem alten Könige von Engeland, als ein Geschenk dargebothen und darnach der Königin Bruder David, König von Schottland, überschickt worden und ward viele Jahre in dem Schatze des Königs behalten, dann aber dem König Heinrich dem zweiten, so solchen zu sehen begehrte, wiederum vom König Wilhelm aus Schottland zugeschickt.
    Andere setzen auch den Venusberg an den Nursiner See in Italien, wo man die Venus lebendig in einer Höle zu sehen vermeint, die alle Wochen in eine Schlange sich verwandelte, und ward eine Wacht um die Höle gehalten, um die Leute abzuhalten, die mit Beschwörungen umgehen.
     
Fußnoten
     
    1
Le chariot de roi Artus, ou le char du diable. Glossaire de la langue romane p. Rocquefort.
I. 240.
     
    2 gleichgültig, unbedeutend.
     
     
78. Das Oldenburger Horn.
    Bei Graf Otto's von Oldenburg Zeiten (der 967 zur Regierung kam nach dem Tode seines Vaters Ulrich), hat sich eine wunderliche Geschichte oder Handel zugetragen. Denn weil er, als ein guter Jäger, der große Lust zu der Jagd gehabt, sich auf eine Zeit in die Jagd mit seinen Edelleuten und Dienern begeben, und am Bernefeuerholze gejagt, er, der Graf, auch selbst ein Reh gehetzet und demselben vom Bernefeuerholze bis an den Osenberg alleine nachgerannt, und mit einem weißen Pferde mitten auf dem Berge gehalten und sich nach seinen Winden umgesehen hat, spricht er bei ihm selbst, denn es eine große Hitze war: »Ach Gott! der nun einen kühlen Trunk hätte.«
    Sobald als der Graf das Wort gesprochen, thut sich der Osenberg auf und kommt aus der Kluft eine schöne Jungfrau wohl gezieret, mit schönen Kleidern angethan, auch schönen über die Achsel getheilten Haaren und einem Kränzlein darauf. Und hatte ein köstlich silbern Geschirr, so vergüldet war, in Gestalt eines Jägerhorns, wohl und gar künstlich gemacht, granulirt und schön zugerichtet, das auch mit mancherlei Waffen, die jetzt wenig bekannt sind und mit seltsamen, unbekannten Schriften und kunstreichen Bildern auf und nach Art der alten Antiquitäten zusammen gesoldert und ausgeputzt und gar schön und künstlich gearbeitet, in der Hand gehabt, das dann gefüllt war und solches dem Grafen in die Hand gegeben und gebeten, daß der Graf daraus trinken wollte, sich damit zu erquicken.
    Als nun solches vergüldelte silberne Horn der Graf von der Jungfrau auf und angenommen, es aufgethan und hineingesehen, da hat ihm der Trank, oder was darinnen gewesen, welches er geschüttelt, nicht gefallen und deshalb solch Trinken der Jungfrau verweigert. Worauf aber die Jungfrau gesprochen: »Mein lieber Herr, trinket nur auf meinen Glauben, denn es wird euch keinen Schaden geben, sondern zum Besten gereichen.« Mit fernerer Anzeige: wo der Graf daraus trinken wollte, sollte es ihm, Graf Otto'n, und den Seinen, auch folgends dem ganzen Haus Oldenburg, wohlgehen und die ganze Landschaft zunehmen und ein Gedeihen haben. So

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