Voll gebissen
Eiter. Ich tippte kurz auf die Wunde und prompt kam ein gelbes steifes Sekret aus einem der Bisslöcher geflossen. Ich biss die Zähne zusammen und hielt mich am Waschbecken fest. Der Schmerz, der durch mich hindurchzuckte, war schlimmer als alles, was ich je erlebt hatte. Ich drückte noch einmal auf die Wunde und es kam mehr Eiter hinausgeflossen. In dem Moment gaben meine Beine nach, doch bevor ich zu Boden stürzen konnte, hatte Liam mich aufgefangen.
„Was machst du denn da, Emma?“, schimpfte er mich liebevoll.
„Aua“, sagte ich nur und nickte mit dem Kopf in Richtung meiner Schulter. Ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten. Bereit, beim nächsten Herumdrücken auf meiner Wunde meine Wangen hinabzustürzen, wie die Niagara Fälle.
Er setzte mich auf den Hocker, der im Bad stand und betrachtete sich meine Wunde genauer. „Oh Backe, das sieht echt übel aus.“
Normal hätte ich auf so einen schlauen Satz mit „ach ne e“, oder sowas geantwortet, doch ich fühlte mich zu schlapp.
„Wir müssen dich zu einem Arzt bringen.“
„Nein!“ Um Himmels Willen, bloß kein Arzt. Der würde mir bestimmt eine Spritze verpassen und ich hasste Spritzen!
„Kein Aber! Wir fahren jetzt gleich.“
„Und was sollen wir dem sagen? Nach Hundebiss sieht das wohl nicht aus“, schnappte ich.
„Sei vernünftig Emma. Wenn du dir nicht helfen lässt, wird die Wunde nur noch schlimmer.“
„Ich will aber nicht“, bockte ich wie ein kleines Kind und zog mir das Shirt wieder über. Und obwohl ich den Arzt nicht kannte, konnte ich ihn schon nicht leiden. Einfach, weil Liam mich dahin zwingen wollte und ich keine Lust hatte.
Doch wie immer, wenn er etwas wollte, interessierte ihn meine Meinung herzlich wenig. Oh! Er konnte so verdammt stur sein!
Liam hob mich einfach hoch und brachte mich ohne einen weiteren Kommentar zu seinem Moped, welches er an die Wand der Hütte angelehnt hatte.
„Schaffst du es, dich an mir festzuhalten?“
Ich nickte. In Anbetracht meiner Schulterschmerzen war ich mir nicht sicher, aber einen Unfall wollte ich nicht auch noch zusätzlich haben, also würde ich mein bestes geben.
„Und was sagen wir dem Arzt?“, warf ich nochmals ein.
„Emma, jeder Werwolf hat auch ein normales Leben. Ich kenne da jemanden, der dir helfen kann.“
„Ist dieser jemand Arzt und Werwolf zugleich?“
„Vertrau mir einfach.“
Grrr! Wie ich diese Antworten hasste! Was war so schwer an einem „Ja“ oder „Nein“? Das würde ich ihm schon noch austreiben! Und wenn der Grund, mir nicht eine gescheite Antwort zu geben, nicht mindestens der war, dass er beim Aussprechen tot umfallen würde, würde ich nichts – aber auch gar nichts – anderes gelten lassen!
Liam setzte mich mit einer Leichtigkeit auf das Moped wie andere Leute einen Fahrradkorb befestigten (Emma der Fahrradkorb … war das die Steigerung von Emma der Obstkiste?) und kletterte dann behutsam vor mich.
Ich mochte es zwar absolut nicht, wenn er mich handhabte, als wäre ich irgendein Gegenstand, aber ich war plötzlich wieder so müde, dass ich mich nicht darüber beschwerte. Ich schlang beide Arme um ihn und ließ mich gegen ihn sinken. Ich spürte noch, wie er meine Arme mit einer Hand festhielt, doch mehr bekam ich nicht mehr mit.
Ein sanftes Rucken brachte mich wieder zur Besinnung.
„Emma, wir sind da. Du kannst jetzt loslassen.“
Huch? Wir waren schon da? War ich eingeschlafen? Oder in Ohnmacht gefallen? Wie auch immer. Ich versuchte, meine ineinander verschränkten Finger zu öffnen, doch es gelang mir nicht. Meine Schulter klopfte wie verrückt und brannte, als hätte man sie mit Benzin übergossen und angezündet.
Liam öffnete für mich vorsichtig meine Finger und schon kam ein Mann mit schlohweißen Haaren dazu, den Liam mit „Dr. White“ begrüßte.
„Warte, ich helf e dir“, sagte der Mann mit einer tiefen, rauen Stimme und ich spürte, wie ich vom Moped gezogen wurde.
Liam nahm mich auf die Arme und trug mich in das Haus des Doktors. Er erklärte was vorgefallen war, während er mich auf der Couch absetzte.
„Das hört sich aber nicht gut an“, meinte der Doc fac hmännisch und platzierte sich auf einem Hocker direkt vor meiner Nase, um eine, wie er es nannte, „Routine-Untersuchung“ durchzuführen.
„Emma? Kannst du mich hören?“, fragte er in einer Lautstärke, die ich vermutlich auch noch gehört hätte, wenn ich bereits drei Meter unter der Erde liegen und von Würmern
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