Voll gebissen
ist nicht deine Schuld. Ich hätte einfach direkt loslaufen sollen, nachdem ich gemeint hatte, dich riechen zu können. Aber weißt du , Emma, du hast mir in letzter Zeit so gefehlt. Ich hatte öfter das Gefühl, dass du kommen würdest und jedes Mal, wenn ich dann aus der Hütte lief, warst du nicht da.“
Ich schluckte laut. Ursprünglich wollte ich fragen, was jetzt mit mir passieren würde und woran ich merken konnte, ob der Werwolf mich infiziert hatte, doch obwohl meine Gedanken nur um den Biss und seine Folgen kreisten, schob sich eine andere Frage dazwischen.
„Warum bist du überhaupt weggelaufen?!“, fragte ich entrüstet.
Die Verletztheit in meiner Stimme konnte ich leider nicht unterdrücken.
Liam schaute mich mit großen Augen an, dann blickte er hinunter auf unsere Hände und biss auf seine zitternde Unterlippe.
„Weil du gesagt hast, dass du mich nie wieder sehen willst. Und ich kann einfach nicht so neben dir her leben, als wenn nichts gewesen wäre. Du magst mich für ein skrupelloses Tier halten, aber das bin ich nicht.“
Erschrocken starrte ich ihn an. „Das stimmt doch gar nicht“, verteidigte ich mich lauthals.
Liam blickte bekümmert zu mir auf. „Das war nicht auf die Sache mit meinem Werwolfdasein bezogen.“
Ich überlegte, was er vers uchte, mir zu sagen. Dann fiel der Groschen. „… sondern auf die Sache zwischen dir und Amilia.“ Das war keine Frage, dass war eine Feststellung.
Er nickte traurig. „Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht. Aber wenn es mir irgendwie möglich gewesen wäre, hätte ich dir davon erzählt. Das musst du mir glauben.“ Er sah mich flehend an.
Ich nickte. „Ich weiß, und auch ich habe einen Fehler gemacht“, begann ich und Liam schaute ungläubig zu mir auf. „Ich bin nicht zu stolz, um mich bei dir zu entschuldigen. Ich hätte dir von Anfang an mehr vertrauen sollen.“
Er schaute noch immer völlig perplex. Scheinbar wusste er nicht, was er sagen und ob er seinen Ohren trauen sollte, also lächelte ich ihn aufmunternd an.
„Emma … Ich würde es dir wirklich sagen, wenn es ginge. Ich bin einfach auf dein Vertrauen angewiesen. Ich hatte nie etwas mit Amilia und werde nie etwas mit ihr haben.“
Diese Worte sprach er so eindringlich, noch dazu schaute er mir aufrichtig in die Augen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken oder ähnliches. Er klang so ehrlich, dass ich mich langsam fragte, warum ich ihm nicht von Anfang an geglaubt hatte.
„Wenn ich so scharf auf Amilia wäre, wieso glaubst du, bin ich weggegangen, nachdem wir – so wie du es nennst – freie Bahn hatten?“
Ich zuckte mit den Schultern, doch ein Stechen ließ mich innehalten. Besorgt schaute Liam mich an, doch ich grübelte über seine Worte nach. Wo er recht hatte, hatte er recht. Er war nicht bei Amilia geblieben. Ein leichtes Lächeln huschte über meine Lippen.
„Und meinst du, ich hätte mi t dir was angefangen, wenn ich Amilia gewollt hätte? Wie du selbst gesagt hast, war Amilia schon immer heiß auf mich. Es wäre doch ein leichtes gewesen, sie sich als Freundin zu nehmen.“
„Vielleicht hattest du Angst vor Kyle?“, konterte ich. Aber noch bevor ich es ausgesprochen hatte, wusste ich, dass das absoluter Blödsinn war. Schließlich hatte er auch nicht die geringste Angst gezeigt, als es um mich ging.
Wieder überlegte ich. Irgendwie klang das alles ziemlich einleuchtend, was Liam da sagte. „Okay Liam, ich werde dir in Sachen Vertrauen ein paar Vorschusslorbeeren geben. Ich hoffe, dass ich das nie bereuen werde.“
Liam stand auf und kam um den Tisch herum. Er kniete vor mir nieder, fasste erneut meine Hände, führte sie lan gsam zu seinen Lippen und drückte mir einen sanften Kuss darauf.
„Ich wäre überglücklich, wieder dein Freund sein zu dürfen.“
Ich merkte, dass ich (mal wieder) rot wurde. Aber diese Worte aus Liams Mund zu hören, noch dazu so feierlich dahergeredet, brachten mich einfach in eine peinliche Situation. Und meine Antwort war mindestens ebenso peinlich. „Das wäre sehr schön.“
Ich wollte Liam am Arm hochziehen, doch ich zuckte zusammen, da ich dummerweise den Arm mit der verletzten Schulter genommen hatte.
„Ich sollte mir das mal ansehen“, sagte Liam ernst.
„Es geht schon“, winkte ich ab, doch Liam ließ sich nicht beirren.
„Bitte, ich bin auch ganz vorsichtig.“
Ich zuckte diesmal mit einer Schulter, um ihm klar zu machen, dass er tun solle, was er sowieso nicht lassen konnte.
Behutsam
Weitere Kostenlose Bücher