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Voll im Bilde

Voll im Bilde

Titel: Voll im Bilde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erwacht.«
    »Gaspode!«
    »Wart’s nur ab.«
    Die Fackel ging aus.
    Victor schwang sie hastig hin und her, in einem letzten Versuch, ihr noch etwas Feuer – und damit Licht – zu entlocken. Einige Funken stoben und erloschen. Es war einfach nicht mehr genug von der Fackel übrig.
    Die Dunkelheit umflutete sie, und einer solchen Dunkelheit begegnete Victor nun zum erstenmal. Ganz gleich, wie sehr man in sie hineinstarrte – die Augen gewöhnten sich nicht daran. Nun, es gab schließlich nichts, an das sie sich gewöhnen konnten. Dies war die Mutter der Dunkelheit, eine absolute Finsternis, die Schwärze unter der Erde – eine Dunkelheit, die fast Substanz gewann und wie kalter Samt wirkte.
    »Ist ziemlich dunkel«, knurrte Gaspode.
    Mir bricht gerade der kalte Schweiß aus, dachte Victor. Ich habe mich immer gefragt, wie es sich anfühlt. Jetzt weiß ich Bescheid.
    Er schob sich langsam zur Seite, bis seine Schulter an die Wand stieß.
    »Wir sollten jetzt besser umkehren«, sagte er und hoffte, daß seine Stimme gelassen klang. »Wer weiß, was sich vor uns befindet… Schluchten oder so. Wir holen mehr Fackeln und mehr Leute, und anschließend setzen wir die Suche nach Ginger fort.«
    Irgendwo im Tunnel machte es Wummpf.
    Unmittelbar darauf erstrahlte so grelles Licht, daß es den Schatten von Victors Augäpfeln an die hintere Seite des Kopfs projizierte. Nach einigen Sekunden ließ der Glanz etwas nach, doch es blieb fast schmerzhaft hell. Laddie winselte leise.
    »Na bitte«, sagte Gaspode heiser. »Jetzt haben wir Licht genug. Alles in Ordnung?«
    »Und wo kommt das Licht her?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    Victor trat langsam vor, dicht gefolgt von seinem eigenen Schatten.
    Nach etwa hundert Metern mündete der Tunnel in einen Raum, der einst eine natürliche Höhle gewesen sein mochte. Das Licht gleißte aus einer runden Öffnung hoch oben in der gegenüberliegenden Wand, und es reichte aus, um alle Einzelheiten zu erkennen.
    Die Kaverne war noch größer als der Große Saal der Unsichtbaren Universität. Irgendwann mußte sie sogar noch eindrucksvoller gewesen sein. Victor sah barocke Goldverzierungen neben den Stalaktiten an der Decke. Aus einem breiten Loch im Boden wuchs eine Treppe, breit genug für ein Regiment. Unten donnerte es in regelmäßigen Abständen, und der jetzt deutlicher wahrnehmbare Salzgeruch legte die Vermutung nahe, daß der Ozean einen Weg zum unteren Teil des Hügels gefunden hatte. Die Luft war feucht und kühl.
    »Eine Art Tempel?« spekulierte Victor.
    Gaspode beschnüffelte die Vorhänge an der einen Seite des Eingangs. Als er sie berührte, verwandelten sie sich in einen Haufen Schleim.
    »Bäh!« stieß er hervor. »Hier ist alles vergammelt!« Ein vielbeiniges Etwas hastete über den Boden und verschwand im Treppenloch.
    Victor streckte die Hand vorsichtig nach einem dicken roten Seil aus, das zwischen zwei mit Blattgold verzierten Pfählen hing. Es löste sich auf.
    Die breite Treppe reichte bis zu der runden, torbogenartigen Öffnung empor. Tugelbend erklomm eine Stufe nach der anderen, stieg über matschige Algen und Treibholz hinweg, das eine besonders hohe Flut bis hierher getragen hatte.
    Durch den Torbogen gelangte er in eine zweite riesige Höhle, die wie ein Amphitheater anmutete. Lange Sitzreihen erstreckten sich nach unten, und dort sah Victor…
    Eine Wand?
    Sie schimmerte wie Quecksilber. Wenn man ein rechteckiges Becken in der Größe eines Hauses mit Quecksilber füllte und es auf die Seite stellte, ohne daß etwas herausfloß – dann bot es einen derartigen Anblick.
    Allerdings hätte es keinen so boshaften Eindruck erweckt.
    Das Gebilde war flach und leer, aber Victor fühlte sich plötzlich wie durch eine Lupe beobachtet.
    Laddie jaulte.
    Dann begriff Tugelbend den Grund für seine Unruhe.
    Es handelte sich nicht um eine Wand. Wände standen mit anderen Wänden in Verbindung. Dieses Etwas hingegen schwebte mitten in der Luft, wogte und kräuselte sich – wie ein Spiegelbild ohne Spiegel.
    Das Licht hatte seinen Ursprung irgendwo auf der anderen Seite. Victor bemerkte einen hellen Fleck, der sich im Schatten am fernen Ende des Saals bewegte.
    Er ging durch den geneigten Mittelgang zwischen den Sitzreihen, und die beiden Hunde folgten ihm: mit angelegten Ohren, die Schwänze zwischen den Beinen. Unterwegs wateten sie durch etwas, das einst ein Teppich gewesen sein mochte; unter ihren Schritten verwandelte er sich zu einer schlammigen Masse.
    Nach

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