Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Voll im Bilde

Voll im Bilde

Titel: Voll im Bilde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
versucht dauernd, irgend etwas Unheilvolles anzustellen. Ja, so was kommt immer wieder vor. Aber jetzt liegen mindestens eine Million Tonnen Felsen in dem Tunnel – selbst ein sehr kräftiger Geist braucht genau eine Ewigkeit, um sich bis zum Portal durchzugraben.
    Victors Gedächtnis erinnerte ihn an die gräßliche lebende Leinwand, doch sie erschien ihm nun nicht mehr ganz so abscheulich. Es war dunkel gewesen, und er entsann sich an bewegliche Schemen in der Finsternis, an seine eigene Nervosität – kein Wunder, daß ihm seine Augen Streiche gespielt hatten. Selbst den Skeletten der Zuschauer fehlte es nun an der Kraft, Entsetzen auszustrahlen. Victor wußte von Stammesoberhäuptern, die man zusammen mit ganzen Heeren aus Berittenen bestattete, damit ihre Seelen im Jenseits ein neues Leben beginnen konnten. Vielleicht war so etwas auch hier geschehen. Ja, im kalten Licht des Tages besehen, wirkte alles weniger grauenhaft.
    Und genau darum handelte es sich – um kaltes Licht.
    Sonderbares Licht füllte das Zimmer. Wenn man es an einem Wintermorgen sah, so wußte man sofort, daß draußen Schnee lag. Es war Licht ohne Schatten.
    Victor trat ans Fenster und blickte in mattes silbergraues Glühen.
    Holy Wood existierte nicht mehr.
    Die Bilder der vergangenen Nacht waren ihm schlagartig wieder präsent – so wie die Dunkelheit, wenn plötzlich das Licht ausgeht.
    Immer mit der Ruhe, dachte Victor und kämpfte gegen die in ihm empordrängende Panik an. Es ist nur Nebel. Früher oder später mußte es hier mal Nebel geben, so nah am Meer. Und er scheint zu glühen, weil die Sonne aufgegangen ist. Nebel hat nichts Geheimnisvolles an sich. Besteht nur aus winzigen Wassertropfen, die in der Luft schweben. Mehr steckt nicht dahinter.
    Er streifte sich Kleidung über, riß die Tür auf und stolperte fast über Gaspode, der lang ausgestreckt auf der Schwelle lag, wie eine besonders schmutzige Fußmatte.
    Der kleine Hund stemmte sich mit den Vorderbeinen hoch, richtete den Blick der gelben Augen auf Victor und brummte: »Eins möchte ich klarstellen. Ich liege nicht etwa wegen dem Treuer-Hund-schützt-sein-Herrchen-Unsinn vor deiner Tür. Es ist nur, als ich hierher zurückkehrte…«
    »Sei still, Gaspode.«
    Tugelbend öffnete die zweite, nach draußen führende Tür. Nebel wallte herein. Er schien nur auf diese Gelegenheit gewartet zu haben, um das Innere des Hauses zu erforschen.
    »Nebel ist einfach Nebel«, sagte Victor laut. »Komm. Wir wollten heute nach Ankh-Morpork, weißt du noch?«
    »Mein Kopf«, stöhnte Gaspode. »Mein Kopf fühlt sich an wie der untere Teil eines Katzenkorbs.«
    »Du kannst in der Kutsche schlafen. Da fällt mir ein: Ich kann ebenfalls in der Kutsche schlafen.«
    Victor trat einige Schritte weit ins silbrige Glühen – und verirrte sich fast sofort. Hier und dort sah er die vagen Konturen von Gebäuden in der naßkalten grauen Luft.
    »Gaspode?« fragte er unsicher. Nebel ist Nebel, wiederholte er in Gedanken. Aber er vermittelt den Eindruck von Enge. Wenn er sich jetzt plötzlich auflösen würde… Vielleicht sähe ich dann viele Leute, die mich beobachten. Von draußen. Was natürlich lächerlich ist, denn ich bin draußen, und wenn man sich draußen aufhält, kann man nicht von draußen beobachtet werden, oder? Außerdem flackert hier was.
    »Du möchtest sicher, daß ich dir den Weg zeige, wie?« ertönte eine selbstgefällige Stimme neben seinem Knie.
    »Es ist ziemlich still, nicht wahr?« erwiderte Victor wie beiläufig. »Ich schätze, der Nebel dämpft alle Geräusche.«
    »Oder schauderhaft-gräßliche Wesen sind aus dem Meer gekrochen und haben alle Sterblichen umgebracht, bis auf uns«, sagte Gaspode im Plauderton.
    »Sei still!«
    Etwas zeichnete sich im hellen Grau ab. Als es näher kam, wurde es kleiner, und die imaginären Tentakel und Fühler verwandelten sich in die mehr oder weniger normalen Arme und Beine von Soll Schnapper.
    »Victor?« fragte er nervös.
    »Soll?«
    Der Neffe seufzte erleichtert. »Kann in diesem Nebel überhaupt nichts sehen. Wir dachten schon, du hättest dich verirrt. Komm jetzt. Es ist fast Mittag. Wir sind mehr oder weniger zum Aufbruch bereit.«
    »Ich bin soweit.«
    »Gut.« Kleine Tropfen glitzerten in Solls Haar und an seiner Kleidung. »Äh«, sagte er. »Wo sind wir eigentlich?«
    Victor drehte sich um. Seine Unterkunft hatte sich hinter ihm befunden.
    »Der Nebel verändert alles, nicht wahr?« fragte Soll kummervoll. »Äh, glaubst du,

Weitere Kostenlose Bücher