Voll im Bilde
lang gingen die Geschäfte des Odium sehr gut. In der nächsten reichten die Einnahmen gerade noch aus, um die Kosten zu decken, und nun stand die Pleite unmittelbar bevor. Das Publikum während der Spätvorstellung am vergangenen Abend hatte aus einem tauben Zwerg und einem Orang-Utan bestanden, der auch noch seine eigenen Erdnüsse mitbrachte. Bezam brauchte den zusätzlichen Profit aus dem Verkauf von Erdnüssen und Knallkörnern. Deshalb stand es mit seiner Stimmung derzeit nicht zum besten.
Er öffnete die Tür und starrte mürrisch nach draußen.
»Wir haben geschlossen«, sagte er. »Die Frühvorstellung beginnt um zwei. Komm später wieder. Alle Plätze für den gleichen Preis.«
Er warf die Tür zu. Sie prallte von Schnappers Stiefel ab und traf Bezam an der Nase.
»Ich bin wegen der Erstaufführung von Schwert der Leidenschaft hier«, verkündete Schnapper.
»Erstaufführung? Was für eine Erstaufführung?«
»Davon wollte ich gerade erzählen«, erwiderte Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin.
»Bei uns findet überhaupt keine Erstaufführung statt. Ich weiß nichts von irgendwelchen Schwertern der Leidenschaft. Hier läuft Die interessante…«
»Herr Schnapper beschlossen, daß du Schwert der Leidenschaft zeigen«, grollte eine andere Stimme.
Der ehemalige Würstchenverkäufer lehnte sich an den Türrahmen. Hinter ihm ragte ein Felsen auf, der aussah, als hätte ihn jemand dreißig Jahre lang mit Stahlkugeln beschmissen.
In der Mitte entstanden Falten, als sich der Monolith vorbeugte.
Bezam erkannte Detritus. Jeder kannte Detritus. Einen solchen Troll vergaß man nicht.
»Aber ich habe noch nie etwas von einem Streifen gehört, der…«
Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper holte einen röhrenförmigen Gegenstand unter dem Mantel hervor und lächelte.
»Hier sind Plakate«, sagte er und zog eine dicke weiße Rolle aus dem Behälter.
»Herr Schnapper mir erlauben, draußen einige an Wand zu kleben«, meinte Detritus stolz.
Bezam entrollte ein Plakat und sah Farben, die ihm Tränen in die Augen trieben. Das Bild zeigte eine schmollende Ginger, die eine zu knappe Bluse trug; Victor warf sie sich gerade über die eine Schulter, während er mit der anderen Hand gegen diverse Ungeheuer kämpfte. Im Hintergrund spien Vulkane Feuer und brannten Städte nieder, während Drachen an einem feurigen Himmel flogen.
»Der Streifen, den man nicht verbiehten konnte!« las Bezam verblüfft. »Ein ahtemberaubendes Abentoier im Aufbruch eines jungen Kontinnänts! Ein Mann und eine Frau im Schtrudel einer Welt des Wahnsinns!! In den HAUPTROLLEN: ** Delores De Syn ** als Die Frau und ** Victor Maraschino ** als Cohen der Bahrbahr!!! AUFREGUNG! ABENTEUER!! ELEFANTEN!!! Bald in diesem Theater!!!!«
Bezam Planter las die Worte noch einmal.
»Wer ist ** Delores De Syn **?« fragte er argwöhnisch.
»Einer der beiden Stars«, betonte Schnapper. »Deshalb die Sternchen.« Er beugte sich etwas näher und fügte mit dem üblichen verschwörerischen Flüstern hinzu: »Es heißt, sie sei die Tochter eines klatschzianischen Piraten und seiner ebenso ungestümen wie leidenschaftlichen Gefangenen. Und Victor… Nun, er ist der Sohn eines, eines vagabundierenden Zauberers und einer kühnen Zigeunerin, die, äh, Flamenco tanzt.«
»Potzblitz!« entfuhr es Bezam beeindruckt, obwohl er eigentlich gar nicht beeindruckt sein wollte. Schnapper klopfte sich in Gedanken auf die Schulter. Er war überzeugt, ziemlich gute Arbeit geleistet zu haben – der Text auf den Plakaten begeisterte selbst ihn.
»Die erste Vorstellung sollte in etwa einer Stunde beginnen«, sagte er.
»So früh am Morgen?« An diesem Tag hatte Bezam Die interessante Kunst der Töpferei zeigen wollen und bereits befürchtet, daß ein solcher Titel nur wenige Zuschauer anlockte. Schnappers Vorschlag klang viel besser.
»Ja«, antwortete Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin. »Weil viele Leute den Streifen sehen wollen.«
»Oh, ich weiß nicht«, murmelte Bezam skeptisch. »In der letzten Zeit hatten wir nur noch selten einen vollen Saal.«
»Das wird sich bald ändern«, versprach Schnapper. »Vertrau mir. Habe ich dich jemals belogen?«
Bezam kratzte sich am Kopf. »Nun, im vergangenen Monat hast du mir ein Würstchen verkauft und behauptet…«
»Es war eine rhetorische Frage«, sagte Schnapper.
»Ja, genau«, bestätigte Detritus.
Bezam ließ die Schultern hängen. »Nun, mit rhetorischen Fragen kenne ich mich nicht aus.«
»Na bitte.«
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