Voll im Bilde
weiter darin. Frühere Eintragungen stammten von Tento, der wie Deccan dreimal am Tag gesungen, angekündigt oder beschworen hatte. Manchmal schrieb auch er von Leuten, die ihm Fische brachten, und er erwähnte ebenfalls die Toilette, wenn auch nicht ganz so häufig wie Deccan. Vor ihm war Meggelin Wächter des unheilvollen Hügels gewesen. Mehrere Personen hatten am Strand gelebt, einst sogar eine ganze Gruppe. Noch frühere Berichte erschienen offizieller, obgleich sich das nur schwer feststellen ließ. Offenbar waren sie in einer Art Code verfaßt und bestanden aus kleinen, komplizierten Bildern…
Vor Tugelbend knallte ein Teller mit Ursuppe auf den Tisch.
»Äh«, sagte er, »wann machst du Feieraben…«
»Nie«, erwiderte Ginger.
»Nun, weißt du vielleicht, wo…«
»Nein.«
Victor starrte in die trübe Brühe. Borgel ging von folgendem Prinzip aus: Wenn man es im Wasser fand, war es ein Fisch. Etwas Purpurnes schwamm in der Flüssigkeit, und es hatte mindestens zehn Beine.
Tugelbend verspeiste es trotzdem. Immerhin kostete ihn das Ding dreißig Cents.
Anschließend stand er auf und ging in Richtung Tür. Ginger stand am Tresen und wandte ihm mit großer Entschlossenheit den Rücken zu. Ihre schwingende Botschaft lautete: Ganz gleich, was du auch anstellst, um meine Aufmerksamkeit zu wecken – ich sehe nichts davon, weil ich dir auch weiterhin den Rücken zukehren werde. Victor seufzte stumm und trat nach draußen, um sich einen neuen Job zu suchen.
Er hatte noch nie in seinem Leben richtig gearbeitet. Seiner Ansicht nach war Arbeit etwas, das nur anderen Leuten passierte.
Bezam Planter rückte den Bauchladen seiner Frau zurecht.
»Na schön«, sagte er. »Hast du alles?«
»Die Knallkörner sind ganz weich«, antwortete Frau Planter. »Und die heißen Würstchen werden sicher bald kalt.«
»Da drinnen ist es dunkel, Teuerste. Bestimmt merkt niemand was.« Bezam zupfte am Halsriemen und wich zurück.
»Gut«, brummte er. »Nun, du weißt Bescheid. Nach der Hälfte der Vorstellung hebe ich das Schild mit der Aufschrift: ›Jetzt möchtet ihr sicher ein kühles, erfrischendes Getränk und eine Tüte mit Knallkörnern.‹ Und dann kommst du durch die Tür dort drüben und gehst durch den Mittelgang.«
»Warum fügst du dem Schild nicht die Worte ›Zu unserem heutigen Angebot gehören auch kühle, erfrischende Würstchen‹ hinzu?« schlug Frau Planter vor.
»Und du solltest damit aufhören, die Zuschauer mit einer Fackel zu ihren Plätzen zu führen«, entgegnete Bezam. »Dauernd fängt irgend etwas Feuer.«
»Wie soll ich sonst im Dunkeln sehen?« klagte seine Gattin.
»Ja, ich weiß. Aber gestern abend mußte ich dem Zwerg das Eintrittsgeld zurückgeben. Du weißt ja, wie empfindlich Zwerge reagieren, wenn es um ihre Bärte geht. Nun, Teuerste, was hältst du davon, wenn ich dir einen Salamander gebe? Natürlich im Käfig. Sie haben den ganzen Tag über auf dem Dach gelegen und müßten eigentlich genug Licht gespeichert haben.«
Das hatten sie tatsächlich. Die Eidechsen lagen in ihren kleinen Käfigen, und gelegentlich gleißten ihre Schuppenleiber. Bezam wählte sechs der reifsten aus, kehrte anschließend zum Vorführzimmer zurück und schob die Salamander in den Projektionskasten. Er rollte Schnappers Film auf eine Spule und spähte in die Finsternis.
Nach kurzem, unsicherem Zögern beschloß er, einen Blick nach draußen zu werfen.
Er schlurfte zur Tür und gähnte.
Er streckte die Hand aus und schob den Riegel beiseite.
Er bückte sich, streckte erneut die Hand aus und löste den unteren Riegel.
Er zog die Tür auf.
»Nun gut«, brummte er. »Mal sehen, wie viele…«
Er erwachte im Vorführraum, und Frau Planter fächelte ihm Luft zu.
»Was ist passiert?« flüsterte Bezam und versuchte, die Erinnerung an Hunderte von trampelnden Füßen aus seinen Gedanken zu verbannen.
»Ein volles Haus!« erwiderte Frau Planter. »Und draußen wartet eine lange Schlange! Reicht die ganze Straße hinunter! Sicher liegt es an den abscheulichen Plakaten!«
Bezam stand langsam auf und straffte entschlossen die Schultern.
»Sei still, Frau!« rief er. »Geh in die Küche und knall noch mehr Körner. Und hilf mir dann, neue Schilder zu malen. Wenn sich die Leute für die Fünf-Cent-Plätze anstellen, bezahlen sie vielleicht auch zehn Cent!«
Er rollte die Ärmel hoch und griff nach der Kurbel.
Ganz vorn saß der Bibliothekar mit einer Tüte Erdnüsse im Schoß. Nach einigen Sekunden
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