Voll im Bilde
Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin grinste wie ein Halloween-Kürbis. »Du brauchst nur die Tür aufzuschließen, um zu hören, wie’s in der Kasse klingelt.«
Bezam rang sich ein »Oh, gut« ab.
Schnapper legte ihm freundlich den Arm um die Schultern. »Und nun…«, sagte er. »Sprechen wir über meinen Anteil.«
»Über deinen Anteil?«
»Möchtest du eine Zigarre?« fragte Schnapper.
Victor schlenderte Holy Woods namenlose Hauptstraße entlang. Unter seinen Fingernägeln saß immer noch Sand.
Er wußte nicht, ob er es richtig gemacht hatte.
Vermutlich war der alte Mann nur ein Strandgutsammler gewesen und eines Abends eingeschlafen, ohne am nächsten Morgen zu erwachen. Obwohl… Normalerweise trugen Strandgutsammler keine Umhänge aus rotem Plüsch mit goldenem Schnurbesatz. Victor hatte keine Ahnung, wie lange die Leiche am Strand gelegen hatte. Er erinnerte sich an ihren Anblick: Trockenheit und Salz hatten den Leichnam so gut konserviert, daß er eher wie ein Lebender aussah, der dem Tod nahe war.
Die Hütte deutete darauf hin, daß dieser besondere Strandgutsammler ganz besonderes Strandgut gesammelt hatte.
Tugelbend fragte sich, ob er jemandem vom Tod des alten Mannes erzählen sollte, aber wahrscheinlich gab es in Holy Wood niemanden, der sich dafür interessierte. Die einzige Person, die an Leben oder Tod des alten Mannes Interesse hatte, war der alte Mann selbst, und der wußte schon Bescheid.
Victor hielt es für angebracht, die Leiche zu begraben, und als letzte Ruhestätte wählte er die dem Land zugewandte Seite der Hütte.
Vor Borgels Eingang zögerte er kurz und entschied dann, das Risiko einzugehen und hier zu frühstücken. Außerdem: Er wollte sich irgendwo hinsetzen, um das Buch zu lesen.
Wer rechnete schon damit, so etwas am Strand zu finden, in einer aus Treibholz errichteten Hütte, noch dazu in der Hand eines Toten?
Auf dem Umschlag stand: Das Buch des Films.
Die erste Seite zeigte weitere Wörter, die aus mit großer Sorgfalt gemalten Buchstaben zusammengesetzt waren und verrieten, daß dem Schreiber die Rechtschreibung recht schwer gefallen war: »Dies isset die Chronik der Wächter des unheilvolligen Hügels ParaMountain, kopiehrt fon mir, Deccan, weil das alte Eksemplar auseinanderfällt.«
Victor blätterte vorsichtig. Die einzelnen Tagebucheintragungen wiesen große Ähnlichkeiten auf. Es fehlten Datumsangaben, doch das spielte keine Rolle, weil sich die Ereignisse der einzelnen Tage kaum voneinander unterschieden.
Bin aufgeschtanden und zur Toilette gegangen. Habe ein Feuer entzühndet und die erste Vorschtellung angekündigt. Frühschtück. Noch ein Feuer. Wanderung auf dem Hühgel. Beschwörungsgesang für die Abendvorschtellung. Abendessen. Litanei der Schpätvorschtellung. Toilette. Bett.
Bin aufgeschtanden und zur Toilette gegangen. Habe ein Feuer entzühndet und die Frühvorschtellung gesprochen. Frühschtück. Der Fischer Crullet fon der Jausserbucht hat mir zwei prächtige Sehbarsche gebracht. Holz gesammelt. Die Abendvorschtellung angekündigt. Noch ein Feuer. Aufräumen. Abendessen. Die Schpätvorschtellung gesungen. Bett. Um Mitternacht aufgeschtanden, um zur Toilette zu gehen und das Feuer zu überprüfen, aber es waret nicht nötig, Holz nachzulegen.
Aus den Augenwinkeln sah Victor eine Kellnerin.
»Ich möchte ein gekochtes Ei«, sagte er.
»Wir haben Eintopf. Fisch-Eintopf.«
Tugelbend hob den Kopf und blickte in Gingers blitzende Augen.
»Ich wußte nicht, daß du hier Kellnerin bist.«
Die junge Frau begann demonstrativ damit, den Salzstreuer abzustauben. »Bis gestern wußte ich es ebenfalls nicht«, erwiderte sie. »Ich kann mich glücklich schätzen, daß Borgels Morgenmädchen eine Rolle im neuen Streifen der Ungebundenen Alchimisten bekam, nicht wahr?« Sie zuckte mit den Achseln. »Vielleicht habe ich noch mehr Glück. Vielleicht darf ich auch die Nachmittagsschicht übernehmen.«
»Hör mal, ich wollte nicht…«
»Fisch-Eintopf. Ja oder nein. Drei Kunden heute morgen haben erst ›ja‹ und dann ›nein!‹ gesagt.«
»In Ordnung: ja. He, du wirst es mir nicht glauben, ich habe dieses Buch gefunden, in den Händen eines…«
»Ich darf keine Zeit vergeuden, indem ich mit den Kunden schwatze«, sagte Ginger scharf. »Dies ist zwar kaum der beste Job in Holy Wood, aber ich möchte ihn nicht verlieren. Also einmal Fisch-Eintopf, oder?«
»Oh, ja. Entschuldige.«
Victor konzentrierte sich wieder auf das Buch und blätterte
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