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Voll im Bilde

Voll im Bilde

Titel: Voll im Bilde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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kleine Mann.
    »Ich fürchte, ich weiß nicht genau, worauf es beim Zügelhalten ankommt«, gestand Victor ein.
    »Oh, das ist kein leichter Job, das Halten von Zügeln«, erwiderte der Mann. »Man muß kriechen und respektvoll-ehrfürchtig sein, und hinzu kommt eine kleine Prise Unverschämtheit. Die Leute wollen nicht einfach nur jemanden, der sich um ihre Pferde kümmert. Sie wollen jemanden mit Zügelhalten-Erfahrung.«
    »Tatsächlich?«
    »Sie wollen eine interessante Begegnung mit jemandem, der ihnen auf eine unterwürfig-schlagfertige Weise zu Diensten ist«, erklärte der verhutzelte Mann. »Es geht ihnen nicht nur ums Zügelhalten.«
    In Victor reifte eine Erkenntnis heran.
    »Es ist Schauspielerei?« fragte er.
    Der verschrumpelte Wicht klopfte sich an die Seite seiner erdbeerförmigen Nase.
    »Du hast es erfaßt!« bestätigte er.
     
    Fackeln brannten in Holy Wood, und Victor bahnte sich einen Weg durch die Menge auf der Hauptstraße. Die Türen aller Schenken, Tavernen und Läden waren weit geöffnet. Wogen von Menschen und anderen Wesen schwappten zwischen ihnen hin und her. Tugelbend sprang auf und ab, um in dem Ozean aus Gesichtern Ausschau zu halten.
    Er fühlte sich allein und verlassen. Er hatte Hunger. Er wollte mit jemandem sprechen, doch von ihr fehlte jede Spur.
    »Victor!«
    Er drehte sich um. Rock hielt wie eine Lawine auf ihn zu.
    »Victor, mein Freund!« Eine Faust so groß und hart wie ein Grundstein klopfte ihm freundlich auf die Schulter.
    »Oh, hallo«, sagte Tugelbend. »Äh. Wie läuft’s, Rock?«
    »Großartig! Großartig! Drehen Gefährliche Gefahren im Tal der Trolle morgen.«
    »Das freut mich für dich«, behauptete Victor.
    »Du mir Glück bringen!« donnerte Rock. »Rock! Was für ein Name! Komm, wir trinken was!«
    Victor nahm die Einladung an. Eigentlich blieb ihm gar keine Wahl, denn Rock ergriff seinen Arm, pflügte wie ein Eisbrecher durch die Menge und zerrte den jungen Mann zur nächsten Tür.
    Blaues Licht fiel dort auf ein Schild. Die meisten Morporkianer konnten Trollisch lesen, denn es handelte sich um keine sehr schwere Sprache. Kantige Runen bildeten folgende Worte: Der blaue Lias.
    Eine Troll-Bar.
    Drinnen stammte das einzige Licht von den Schmelzöfen hinter der granitenen Theke. In dem matten Glühen musizierten drei Trolle, und Victor vermutete, daß sie irgendwelche Schlaginstrumente verwendeten. Er konnte keine Einzelheiten erkennen, doch der Dezibel-Pegel erreichte ein solches Ausmaß, das der Lärm zu einer massiven Kraft wurde. Seine Augen vibrierten. Die Decke verbarg sich hinter dichten Rauchschwaden.
    »Was möchtest du?« brüllte Rock.
    »Ich muß doch kein geschmolzenes Metall trinken, oder?« erwiderte Victor unsicher. Er schrie aus vollem Halse, um sich verständlich zu machen.
    »Wir hier haben alle möglichen Getränke für Menschen!« rief die Troll-Frau hinter der Theke. Sie erinnerte Victor eine Spur an jene Statuen, die Höhlenbewohner vor Jahrtausenden gemeißelt hatten, um Fruchtbarkeitsgöttinnen darzustellen, doch der Eindruck eines Vorgebirges überwog. »Wir hier sehr kosmopolitisch!«
    »Dann möchte ich ein Bier!«
    »Für mich Schwefelblumen onderocks, Rubin!« fügte Rock hinzu.
    Victors Augen gewöhnten sich allmählich ans Halbdunkel, und der Lärm hatte seine Trommelfelle gnädigerweise betäubt. Er nutzte die Gelegenheit, sich in der Bar umzusehen.
    Dutzende von Trollen saßen an langen Tischen, und hier und dort leisteten ihnen Zwerge Gesellschaft, was Victor sehr erstaunlich fand: Normalerweise bekämpften sich Zwerge und Trolle wie… nun, wie Zwerge und Trolle. In den Bergen vollzog sich zwischen ihnen eine Art immerwährende Vendetta. Eins stand fest: Holy Wood veränderte alles.
    »Darf ich dich etwas fragen?« rief Tugelbend in Rocks spitz zulaufendes Ohr.
    »Klar!« Rock stellte seinen Becher ab. Er enthielt einen purpurnen Papierschirm, der langsam verkohlte.
    »Hast du Ginger gesehen? Du weißt schon? Ginger?«
    »Sie bei Borgel arbeiten!«
    »Nur am Morgen! Ich komme von dort! Wohin geht sie, wenn sie nicht arbeitet?«
    »Wer wissen, wohin jemand gehen?«
    Die Combo im Qualm verstummte plötzlich. Ein Troll griff nach einem kleinen Stein und klopfte vorsichtig damit, erzeugte einen langsamen Rhythmus, der wie Rauch an den Wänden haftete. Und daraus erschien Rubin, wie eine Galeone aus dem Nebel. Sie hatte sich eine lächerliche Federboa um den Hals geschlungen.
    Sie wirkte wie Kontinentalverschiebung mit

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