Voll Speed: Roman (German Edition)
nicht klar, aber ich würde trotzdem meinen Arsch darauf verwetten, dass dieses Zeug hier auch Aki umgebracht hat.«
Rufus kommt um den Konferenztisch herum und schaut mir tief in die Augen. »Welchen Tag haben wir heute, Ray?«
»Lass den Scheiß, Rufus! Ich weiß nicht, welchen Tag wir heute haben. Das liegt aber nicht daran, dass ich einen Blutsturz hatte, sondern weil ich keinen Kalender lesen kann. Kein Erdmännchen kann das – außer dir.«
»Traurig genug«, murmelt Rufus. »Trotzdem ist es unlogisch, dass du Dinge zusammenbringst, ohne den Zusammenhang zu kennen. Das musst du doch zugeben, oder?«
»Die beiden Fälle sind ein Fall«, verkünde ich im Brustton der Überzeugung. »Das sagt mir mein Schnüfflerinstinkt.«
»Dein Schnüfflerinstinkt«, echot Rufus mit ironischem Unterton. »Soso.«
»Damit lag ich auch richtig, als wir den entscheidenden Hinweis in Boris’ Wohnung gesucht haben«, erwidere ich. »Phil kann dir das bestätigen.«
»Wir sollten mit Phil reden«, findet Rufus.
»Machen wir auch. Sobald er wieder da ist.«
»Er ist längst wieder da«, gibt Rufus locker zurück. »Und er wartet auch schon eine ganze Weile auf uns.«
Erstaunt sehe ich ihn an. »Und warum sagst du das nicht?«
»Ich wollte dich zuerst briefen.« Klingt, als wäre es selbstverständlich, dass Phil warten muss, wenn ich gebrieft werde.
»Wozu soll das gut sein, Rufus? Wir haben keine Geheimnisse vor Phil.«
Mein kleiner Bruder überlegt. »Stimmt«, sagt er, und es sieht nun ein bisschen so aus, als wäre er derjenige von uns beiden, der gerade einen Blutsturz erlitten hat. »Stimmt, das war jetzt unlogisch von mir«, murmelt er vor sich hin und fügt mit leiser Verzweiflung hinzu: »Wie konnte mir das denn nur passieren?«
Ich habe da so eine Vermutung, behalte sie aber lieber für mich. Rufus’ unglückliche Liebe zu Natalie und die Tatsache, dass sie es mit jedem treibt, außer mit ihm, nagen an seinem Verstand. Zum Glück ist mein kleiner Bruder ein Genie. So viel Grips, wie der hat, kann Natalie ihn gar nicht kosten. Hoffe ich zumindest.
Wie nicht anders zu erwarten ist Phil sauer, dass er sich an unserem Gehege die Beine in den Bauch stehen muss.
»’tschuldigung!«, rufe ich schon von weitem. »Aber wir haben Neuigkeiten. Das Warten hat sich gelohnt.«
»Schade, dass ich nicht mit den Pinguinen zusammenarbeite«, erwidert Phil ungerührt. »Die haben wenigstens ’ne Sitzbank vor dem Gehege.«
»Aber dann wäre deine Umhängetasche dauernd feucht«, kontere ich.
»Auch was dran«, nickt Phil. »Was habt ihr denn für mich?«
Ich zeige ihm den durchsichtigen Pillenbeutel. »Halt dich fest!« Kunstpause. »Das hier ist Magenta.«
Phils Augenbrauen schieben sich synchron nach oben. Beneidenswert, was der Mensch so alles mit seinem Gesicht machen kann.
»Wirklich interessant«, sagt mein Partner. »Lass mal sehen!«
Ich reiche ihm den Beutel. Phil holt eine der Pillen heraus, hält sie hoch und betrachtet sie eingehend.
»Die gehören übrigens mir«, stelle ich fest. »Nur, damit du nicht auf die Idee kommst, sie dir unten den Nagel zu rei…«
»Die eine hier behalte ich«, verfügt Phil, ohne mir überhaupt zugehört zu haben. Er gibt mir den Beutel mit den verbliebenen vier Pillen zurück und zieht ein Taschentuch hervor, um die fünfte darin einzupacken.
Ich will protestieren, lasse es dann aber. Wenn ich an Nick denke, sind vier Pillen mehr als genug, um ein Erdmännchen ans andere Ende des Universums zu katapultieren. Ich rolle schweigend meinen Pillenbeutel zusammen und lasse ihn in meiner Vorderpfote verschwinden. Falls zufällig Kinder vorbeikommen, sollen die nicht denken, dass im Erdmännchengehege mit Drogen gedealt wird.
»Was wisst ihr über diese Substanz?«, fragt Phil.
»Sie kursiert seit kurzem im Zoo«, erkläre ich. »Und die Folgen sind … nun ja …«
»… dramatisch«, ergänzt Rufus.
»Dramatisch? Was heißt das?«, fragt Phil.
»Das heißt, wir haben einen Nashornbullen, der seine Frau mehrmals am Tag bespringt, obwohl er sich sonst höchstens alle paar Monate mal dazu aufraffen kann«, erwidere ich. »Dann gibt es da noch eine Antilope, die das Löwengehege aufmischt, einen Flamingo, der fliegt, obwohl er flugunfähig ist, sowie eine mickrige Ratte, die vier Erdmännchen verprügelt, obwohl jedes einzelne locker mit ihr fertig werden müsste.«
»Ganz zu schweigen von dem Beinahe-Drogentod unseres jüngeren Bruders Nick«, mischt Rufus sich erneut
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