Voll Speed: Roman (German Edition)
ein.
»… der zuvor im Rausch dicke und harte Wände durchgebohrt hat, als wären sie aus Softeis«, ergänze ich.
Phil mustert mich. Dabei wirft seine Stirn mehr Falten als sein altes Leinensakko. »Du willst also behaupten, wir haben es hier mit einem Fall von … Doping zu tun?«
»Nenn es, wie du willst.«
»Also gut, spielen wir es mal durch!«, schlägt Phil vor. »Wir haben einen jungen Boxer namens Aki Kowalski, der seinen ersten großen Kampf bestreiten soll. Das tut er auch, stirbt aber gleich danach an einem Hirnschlag, der eine Nebenwirkung des Dopingmittels Magenta ist, das Aki sich vor dem Kampf eingeworfen hat. Akis Boxpromoter Tibor Nagy fällt zwei Wochen nach dem Tod seines Schützlings einem Attentat zum Opfer. Nagys Bodyguard Boris Kaufmann macht bei dem Anschlag auf seinen Chef eine schlechte Figur. Also will Boris auf eigene Faust den Schuldigen finden und sich ganz nebenbei rehabilitieren.«
»Und dabei hat Boris jemanden aufgescheucht«, mutmaße ich. »Und zwar denjenigen, der am Ende alle drei auf dem Gewissen hat.«
»Boris ist also in der Kanalisation gelandet, weil er seine Nase zu tief in fremde Angelegenheiten gesteckt hat«, kombiniert Phil. »Klingt ein bisschen, als hätten wir es mit der Mafia zu tun. Der Handel mit illegalen Substanzen würde ebenso zum organisierten Verbrechen passen wie das Attentat auf Nagy und die Art, wie Boris’ Leiche beseitigt wurde.«
»Und warum musste Nagy sterben?«, fragt Rufus.
Phil zuckt mit den Schultern. »Da gibt’s viele Möglichkeiten. Vielleicht wollte er aussteigen, vielleicht hatte er Schulden, vielleicht ist er auch übermütig geworden. Das müssen wir noch herausfinden.« Phil kratzt sich nachdenklich am Dreitagebart. »Woher habt ihr das Zeug eigentlich?«
»Gewisse Kanalratten dealen damit«, antworte ich.
Phil stutzt. »Kanalratten?«
»Ja. Wieso fragst du?«
»Ich dachte gerade, dass das Zeug genau daher kommt, wo wir Boris’ Leiche gefunden haben«, erwidert Phil. »Muss aber nichts heißen. Kann Zufall sein.«
Ich bin beeindruckt. Der Gedanke liegt nahe, ist mir aber trotzdem nicht in den Sinn gekommen. Wenn es um vernetztes Denken geht, dann haben die Menschen uns Fellträgern einfach was voraus.
»Wie dem auch sei«, bemerkt Rufus. »Die Fäden laufen im Boxstall zusammen. Da solltet ihr noch mal recherchieren. Und ich checke inzwischen, ob es ähnliche Fälle von Sportlern gibt, die nach wichtigen Wettkämpfen auf unerklärliche Weise das Zeitliche gesegnet haben. Wir müssen herausfinden, wo Magenta hergestellt wird. Dann können wir nicht nur die Todesfälle aufklären, sondern auch den Ratten die Tour versauen.«
Vielleicht steht es doch nicht so schlecht um uns Fellträger, denke ich und sage: »Schade nur, dass wir in Nagys Boxstall bereits abgeblitzt sind. Ich wüsste nicht, wie wir da noch an Informationen rankommen sollten.«
»Heute Abend findet in Berlin ein Boxkampf statt«, überlegt Phil. »Das beste Pferd aus dem Stall von Tibor Nagy tritt gegen den amtierenden Europameister an.«
»Dann kommt sicher auch die lustige Witwe«, vermute ich.
»Jepp. Und ich habe bereits ein schönes Plätzchen in ihrer Nähe ergattert«, erwidert Phil zufrieden. »VIP-Bereich. War nicht ganz billig.«
»VIP … was?« frage ich.
»VIP. Very Important Person«, doziert Rufus. »Das ist Englisch und heißt übersetzt: sehr wichtige Person. Ist quasi ’ne Abkürzung für die Schönen, die Reichen und die Berühmten.«
»Und zu welcher Gruppe gehörst du?«, frage ich Phil.
»Zu den Schönen«, erwidert er prompt.
»Aha. Und gibt’s denn auch noch ’n VIP-Ticket für’n Plätzchen in deiner Umhängetasche?«, frage ich.
»Deshalb bin ich hier«, grinst Phil.
Der Kampf um den Europameistertitel im Supermittelgewicht findet in einer ultramodernen Halle im Berliner Osten statt. Es gibt einen VIP-Bereich, in dem die Gäste mit Champagner und Fingerfood bei Laune gehalten werden, während sie auf den Beginn des Kampfes warten.
Aber selbst an den adretten Bars für das gewöhnliche Publikum werden ansprechende Drinks und Snacks serviert. Ich bin beeindruckt.
»Was hast du erwartet?«, fragt Phil. »Eine ranzige Sporthalle, in der Männer mit durchgeschwitzten Hemden auf Zigarrenstummeln herumkauen?«
»Genau das«, erwidere ich. »Ist ja immerhin ein Boxkampf und kein Schickimicki-Italo-Schnulzenkonzert.«
»Hoppla. War diese Bemerkung möglicherweise auf meinen Lieblingssänger gemünzt?«, fragt Phil mit
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