Voll Speed: Roman (German Edition)
schließlich von einer Querstrebe gebremst wird, an der er klackernd nachfedert. Die drei Ratten, die man uns gerade hinterherfeuert, verfehlen ihr Ziel um Längen und landen abgeschlagen irgendwo in der dunklen Brühe.
»Wer kommt denn bitte schön auf die total kranke Idee, den Ratten eine solche Teufelsmaschine in die Klauen zu geben?«, fragt Rocky und schultert seinen Elektroschocker.
»Oh. Ich glaube, da fällt mir schon jemand ein«, erwidere ich und merke, dass ich gerade verdammt wütend werde.
Diesmal marschiere ich an Bobby vorbei, ohne ihn überhaupt eines Blickes zu würdigen. Ein Westlicher Flachlandgorilla mit dem Gehirn einer zurückgebliebenen Blattlaus kann mich nicht davon abhalten, mit Kong zu reden. Und zwar sofort, denn meine Wut ist auf der Rückfahrt durch die Kanalisation nicht kleiner geworden. Im Gegenteil.
Ich erklimme den Felsen zu Kongs Privatgemach und erwarte, Robby vor dem Eingang anzutreffen, aber der zweite Türsteher ist gerade nicht an seinem Platz. Definitiv ein Wink des Schicksals, würde ich sagen. Ich husche durch die Lamellen des bunten PVC-Vorhangs, laufe durch die rötlich schimmernde Plastikröhre und stehe prompt in Kongs Privatgemach. Wütend stemme ich die Vorderläufe in die Seiten und herrsche den Gorillaboss an: »Okay, Kong! Ich will jetzt keine Märchen hören! Hast du den Ratten ein verdammtes Katapult vertickt?«
Bleierne Stille.
Nicht einmal ein Haar scheint sich an Kong zu rühren. Er hockt auf seiner Europalette wie ein übergewichtiger Indianerhäuptling.
Erst jetzt fällt mir auf, dass ich gerade einen Typen anschnauze, der mir völlig mühelos den Kopf von den Schultern schnippen könnte.
Und genau das scheint er nun auch machen zu wollen, denn Kong erhebt sich schwerfällig und kommt betont langsam auf mich zu. Ich spüre, wie der Boden bei jedem seiner Schritte vibriert.
»Wie bist du hier reingekommen?«, fragt er, als er so nahe ist, dass er mich mit dem nächsten Schritt in die Bodenfugen stampfen wird.
»Robby war nicht da, und an Bobby bin ich einfach vorbeigelatscht«, sage ich kleinlaut.
»Einfach vorbeigelatscht?«
»Er hat mich nicht gesehen, vermute ich.«
»Entschuldige mich bitte eine Sekunde«, erwidert Kong.
Er verschwindet im Neongang, und es dauert keine drei Atemzüge, bis ich ein wütendes Grunzen höre, gefolgt von dumpfen Schlägen und ängstlichem Gekeife. Dann wird jemand ziemlich lange gegen die Panzerglasscheibe des Affenhauses geknallt, bis das Gekeife verstummt.
Stille.
Schließlich hört man mehrmaliges Husten und Spucken sowie das Klappern von Zähnen, die in einer Blechschüssel landen. Im selben Moment kommt Kong zurück. Er ist die Ruhe selbst, wischt seine blutigen Hände an einem herumliegenden Leinensack ab und setzt sich wieder auf seine Europalette. »Was kann ich für dich tun?«
Kong hat mir gerade ein wenig den Wind aus den Segeln genommen. Ich wusste, dass er ungemütlich werden kann, dass er aber seinen Artgenossen die Zähne im Vorbeischlendern ausschlägt, finde ich irgendwie beunruhigend.
Spontan beschließe ich, einen Gang zurückzuschalten. Schließlich geht es hier um Sachthemen. Persönliche Befindlichkeiten sollten da außen vor bleiben.
»Du hast mir gesagt, dass du nichts mit dem Drogengeschäft zu tun hast«, bemerke ich betont sachlich.
»Ich habe gesagt, ich mache in Waffen«, korrigiert Kong nachsichtig. »Und ich habe gesagt, dass mich illegale Substanzen nicht interessieren.«
»Was dich aber nicht davon abhält, damit zu handeln.«
Kong seufzt lange. Es ist ein ergreifender und irgendwie auch erhabener Moment, denn die ganze Traurigkeit seines Daseins scheint in diesem Seufzer zu liegen. Für einen Moment ist ein Flackern in seinen Augen zu sehen, und sein Blick wandert zum trüben Glasdach, wo ein kleines Stück Himmel zu erahnen ist.
»Sachzwänge«, sagt er. Sein Tonfall verrät, dass die Sachzwänge schwer wie eine Elefantenherde auf ihm lasten. »Die Drogengeschichte ist tatsächlich etwas aus dem Ruder gelaufen. Ich habe zwei Grundsätze. Keine Drogen an Kinder. Und: Traue nie dem Tierpfleger, egal, wie nett er zu dir ist.«
Kong greift hinter sich, zieht ein Beutelchen unter der Europalette hervor und hält es hoch. In seinen riesigen Fingern wirkt es nicht größer als eine Briefmarke.
»Andererseits bin ich Geschäftsmann. Die Ratten wollen Waffen und verhandeln nicht über die Preise. Ich bekomme von ihnen dieses Zeug hier und kann damit meine Einkäufe bezahlen.
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