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Voll Speed: Roman (German Edition)

Voll Speed: Roman (German Edition)

Titel: Voll Speed: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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gespielter Entrüstung.
    »Wenn ich Schnulzenkonzert sage und dir fällt dazu dieser Paolo Dingsda ein, dann kann ich da wirklich nix für«, antworte ich.
    Wir gelangen in den VIP-Bereich, der sich in mehrere Unterbereiche gliedert, mit denen die ganz, ganz wichtigen Besucher von den einigermaßen wichtigen und diese wiederum von den zwar noch wichtigen, aber fast schon unwichtigen VIPs unterschieden werden. Phil gehört zur letzten Kategorie. Seine Karte ist gültig für einen Platz im VIP-Bereich, für mehr aber auch nicht. Selbst die Drinks gehen extra.
    »Hast du das mal durchgerechnet?«, frage ich. »Würde sich für dich bestimmt rentieren, wenn die Drinks inklusive wären.«
    »Bestimmt nicht. Ich bin schließlich beruflich hier«, erwidert Phil pikiert.
    Die ganz, ganz wichtigen VIPs lassen sich in ihren privaten Suiten von eigens dafür abgestellten Hostessen bewirten. Wie Phil einem herumliegenden Prospekt entnimmt, handelt es sich bei diesen Suiten um meist von Firmen angemietete Räume, in denen kleine Gruppen das jeweils anstehende Event verfolgen können, ohne mit dem Publikum oder den Leuten aus dem vulgären VIP-Bereich überhaupt in Berührung zu kommen. Zu diesen Suiten gehören eigene Parkplätze, eigene Eingänge und ein individueller Service. Als Miete muss man dafür im Jahr mal eben den Gegenwert einer hübschen Eigentumswohnung auf den Tisch legen, entnimmt Phil dem Prospekt weiter. Dann sind aber immerhin auch die Drinks inklusive.
    Auch die Tibor Nagy Box Promotion ist Dauermieter einer dieser Suiten. Sie befindet sich mittig am Kopfende der Halle. Phil findet, sie hat was von einer Königsloge. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann wurden die VIP-Bereiche früher Königslogen genannt. König und Königin saßen dort mit anderen VIPs, um sich die Prügeleien der Ritter anzuschauen. Viel hat sich also im Vergleich zu heutigen Boxkämpfen nicht verändert, außer dass inzwischen Pferde und Waffen aus dem Programm gestrichen worden sind.
    Die Königin heute heißt Piroschka Nagy. Sie trägt ein rotes Samtkleid mit einer schwarz abgesetzten Korsage auf dem Rücken. Es ist so eng geschnürt, dass man wahrscheinlich die Prüfnummern ihrer Silikonimplantate lesen könnte, wenn man nah genug rankäme.
    Passend zum Kleid trägt Piroschka schwarze Stilettos mit roten Absätzen. Sie überragt damit ihre männlichen Besucher um Haupteslänge.
    »Sind das alles Verehrer?«
    »Ich tippe eher auf Investoren und potentielle Käufer«, erwidert Phil. »Boxen ist immer noch ein von Männern dominiertes Geschäft.«
    Phils Hoffnung, mit seiner VIP-Karte einen Platz in Piroschkas Nähe zu ergattern, hat sich zwar nicht erfüllt, aber immerhin ist von unserem bequemen Sessel aus sehr gut zu sehen, was in der Nagy-Suite vor sich geht. Fraglich, ob wir überhaupt verstehen könnten, was gesprochen wird, wenn wir ein paar Plätze entfernt von ihr sitzen würden, denn der Lärmpegel in der Halle entspricht etwa dem Trompeten einer aufgebrachten Elefantenherde.
    Als ein Moderator mit sonorer Stimme den baldigen Beginn der Vorkämpfe ankündigt, verabschieden sich Piroschkas Gäste, um ihre Plätze einzunehmen. Sie bleibt allein zurück und schlendert mit einem Glas Champagner in der Hand in den Zuschauerraum, während ihre beiden Bodyguards an der Tür Position beziehen.
    Im Außenbereich der Suite befinden sich zwölf Sitzplätze. Es sind großzügige und mit feinstem Leder bezogene Sessel, noch luxuriöser als die ohnehin luxuriöse Bestuhlung des gewöhnlichen VIP-Bereichs.
    Piroschka hätte also noch elf Freunde einladen können. Aber entweder hat sie keine elf Freunde, oder sie möchte heute allein sein.
    »Wenn du dich mit ihr gepaart hättest, dann könntest du jetzt auch da drüben sitzen«, unke ich.
    »Nicht mein Ding«, erwidert Phil. »Bestimmt müsste ich Designerklamotten tragen, und alle würden mich anglotzen.«
    »Du könntest neue Sachen gebrauchen«, entgegne ich. »Dein Sakko wird dir eines Tages vom Körper rieseln.«
    »Danke«, gibt Phil zurück. »Die Meinung von jemandem, der statt Kleidung ein dreckiges Fell trägt, ist mir in Fragen der Mode sehr wichtig.«
    »Außerdem gewöhnt man sich daran, ständig angeglotzt zu werden«, fahre ich ungerührt fort. »Das können dir restlos alle im Zoo bestätigen.«
    Phil blickt nachdenklich zu Piroschkas Suite, wo die Königin einsam auf dem ausladenden Balkon sitzt und an ihrem Champagner nippt. »Ich glaube, sie kokettiert mit ihrem Image:

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