Voll Speed: Roman (German Edition)
dem Werbeprospekt der Klinik auch nicht genau, aber er soll wohl ausdrücken, dass hier nicht nur Brustvergrößerungen und Bauchverkleinerungen vorgenommen, sondern auch alle möglichen Kuren und Kurse angeboten werden. Man kann abnehmen, entgiften, entschlacken, den Rücken stärken oder beispielsweise die Energiezentren seines Körpers aktivieren. Dabei kommen eine Menge institutseigener Produkte zum Einsatz. Die Renner sind Anti-Aging-Pillen, Diätkapseln und ein Gel zur Reduktion von Altersflecken, behauptet der Prospekt. Schmidtbauer betreibt ein eigenes Labor. Und ebendort, meint Rufus, könnte er auch heimlich Magenta herstellen. Kommissar Ernie Wandlitz hat sich jedenfalls von Phil zu einem Einsatz überreden lassen und binnen Stunden einen Durchsuchungsbefehl organisiert. Eine solche Geschwindigkeit hätte ich dem übergewichtigen Ernie gar nicht zugetraut.
»Warum sollte jemand, der bereits ein Schloss besitzt, illegale Dopingmittel verticken?«, frage ich, als wir in Phils Volvo die mit einem schmiedeeisernen Wappen verzierte Toreinfahrt zum Klinikgelände passieren.
»Wie war das noch mit der menschlichen Gier? Du hast doch gehört, was Piroschka gesagt hat«, entgegnet Phil und beißt sich auf die Unterlippe. Die Erwähnung von Piroschka hätte er sich wohl lieber verkniffen.
»Wie geht es eigentlich deiner neuen Flamme?«, hake ich nach. »Hast du sie schon angerufen? Oder bist du einer von diesen herzlosen Schweinehunden, die sich nach der ersten gemeinsamen Nacht einfach aus dem Staub machen?«
Phils Mundwinkel zuckt. Schweigend lenkt er den Volvo an das Ufer des Sees. Versteckt unter Bäumen erwartet uns dort Einsatzleiter Ernie Wandlitz nebst zwei uniformierten Kollegen und einem Mann in einem weißen Overall. Spurensicherung, vermute ich. In Schmidtbauers Hexenküche müssen schließlich eine Menge Proben sichergestellt werden.
Ich verkrieche mich unaufgefordert in Phils Umhängetasche.
»Hallo, Phil«, höre ich den Kommissar wenig später sagen.
»Hi, Ernie«, entgegnet mein Partner.
Er schultert seine Umhängetasche, und dabei erhasche ich einen Blick auf die Szene. Ernie steht an der Motorhaube, auf der eine Karte ausgebreitet ist. Der Kommissar hat sie mit Schlüssel, Handy und anderem Krimskrams, den er in seinen Taschen gefunden hat, beschwert. Neben der Karte steht ein Milchshake von der Größe eines ausgewachsenen Erdmännchens. Ich vermute, ein solcher Eimer könnte locker die Tagesration für meinen gesamten Clan fassen. Für Ernie aber ist das nur eine Zwischenmahlzeit. Wahrscheinlich spült er mit der süßen Pampe ein paar Burger runter, die er sich eben noch schnell eingeworfen hat.
Hinter dem Wagen warten die zwei Uniformierten und der Kerl von der Spurensicherung auf ihren Einsatz. Zu Füßen der Männer liegen zwei furchterregend dreinschauende Rottweiler.
»Die Kollegen sind schon im Bilde«, erklärt Ernie. »Etwa ein Dutzend Beamte mit Hunden hat rund um die Klinik Stellung bezogen. Ich zeig dir mal kurz, wie wir vorgehen.«
»Sekunde«, sagt Phil und hängt seine Tasche über die offen stehende Beifahrertür. Das macht er, damit ich einen guten Blick auf Ernies Einsatzplan habe. Ich sehe einen Grundriss der Klinik und diverse rote Pfeile, die die Ein- und Ausgänge markieren. Nicht besonders spannend, zumal ich während des Einsatzes ja ohnehin in Phils Tasche hocken werde. Warum also sollte mich die Architektur der Klinik interessieren?
Da reizt es mich schon eher, einen kurzen Plausch mit den beiden Kollegen aus dem Tierreich zu halten. Die Bekanntschaft von stattlichen Profischnüfflern macht man als Zootier schließlich nicht alle Tage.
Ich schleiche mich auf die andere Seite der Tasche und luge hinaus. »Tag, Kollegen«, flüstere ich. »Wollte nur kurz sagen, dass ich mich auf die Zusammenarbeit freue.«
Die Hunde heben erstaunt ihre Köpfe und schauen sich verdutzt um. Beide tragen coole Brustgeschirre und blitzblanke Maulkörbe.
»Hier oben!«, füge ich hinzu und strecke meine Nase ins Freie.
»Wer bist’n du?«, will einer der Hunde wissen.
»Ich heiße Ray. Private Ermittlungen. Ich gehöre zu dem Kerl mit dem Leinensakko.«
»Oha. Und wie kommt ’ne Ratte dazu, in privaten Ermittlungen zu machen?«, will der Rottweiler wissen.
Sein Kollege atmet rasch und vernehmlich ein und aus. Klingt wie ein unterdrücktes Lachen.
»Ich bin keine Ratte. Ich bin ein Erdmännchen«, erkläre ich.
»Is’ ja doll«, erwidert der Rottweiler hochnäsig.
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