Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
ich gehört.«
Elif: »Echt? Frau Freitag, warum tut Frau Merkel nichts dagegen?«
Süß, wie die Schüler Frau Merkel immer für eine Art Übermutter halten. Wie eine Königin. Oft höre ich den Satz: »Warum macht Frau Merkel da nichts gegen?«
Manche Schüler denken ja auch, dass Frau Merkel Hartz IV persönlich finanziert.
Apropos Hartz IV, Asmaas Zukunftsplanung neulich: »Na ja, ich werde wahrscheinlich in meinem Job so 1.200 Euro haben, dann verdient mein Mann vielleicht noch so 1.500 Euro, und dann noch das Geld vom Job-Center …« Aber den Zahn habe ich ihr gleich gezogen.
Doof
»So, den Pappteller macht ihr euch hinten auf dem Rücken fest. Hier ist Klebeband. Und dann schreibt ihr euch gegenseitig was Nettes drauf. WAS NETTES! Ronnie, Fatma, habt ihr gehört? Nett!«
Fatma grinst: »Jaaahaaa, hab ich verstanden.«
Plötzlich Gewusel und Durch-die-Klasse-Gelaufe. Überall beugen sich die Schüler über die Pappteller und schreiben.
»Elif, dreh dich mal um, ich hab noch nicht bei dir geschrieben!«
»Frau Freitag, Sie müssen aber auch mitmachen.«
Ich lasse mir von Emre den Teller an den Pulli kleben und wiederhole sehr laut: »Aber nur was NETTES schreiben.« Diese Vorgabe hat auf einmal persönliche Dringlichkeit. Es bilden sich ganze Schülerschlangen, die sich gegenseitig auf die Rücken schreiben. Nur Ronnie fummelt immer noch an seinem Teller rum.
»Hier, Ronnie, nimm mehr Klebeband«, sage ich und schmeiße die Rolle zu ihm rüber. Ich kann mich nicht bewegen, denn Funda schreibt gerade auf meinen Rücken. Elif läuft vorbei und guckt: » Abo , wie ihr alle schleimt bei Frau Freitag.«
Alle kichern und schreiben, lesen, suchen und schreiben wieder. Nur Ronnie steht etwas abseits und grinst vor sich hin. An seiner Stelle würde ich wahrscheinlich auch behaupten, dass der Teller nicht an meinem Pulli kleben bleibt, denn so richtig viel Positives fällt einem auf Anhieb zu Ronnie nicht ein. Und das weiß er wohl auch. Ehe später gar nichts draufsteht, schiebt man also das Nichtmitmachen lieber auf das billige Klebeband.
Kurz vorm Klingeln sammle ich die Teller ein und lese sie vor. Jeder hatte seinen eigenen vorher schon angeguckt und seinen Namen draufgeschrieben. Alle wollen, dass ihre Teller vorgelesen werden. Und es stehen wirklich nur positive Sachen drauf. Das geht von:
Cooles Mädchen
süßes Lachen
beste Freundin für immer
über:
klug
schöne lange Haare
mit dir kann man über alles reden
du hörst gut zu
die besten Oberteile (steht übrigens bei Emre hintendrauf)
bis hin zu:
voll behindert das Mädchen, aber ich liebe sie
king vallah Beste, ich liebe sie.
Dann kommt mein Teller. Eigentlich ist es mir peinlich, aber die Schüler lassen nicht zu, dass ich den unterschlage. Ich lese viele nette Sachen vor und grinse. Und dann steht da krakelig in der Mitte: doof!!!
Zwischen lauter geschleimten oder nicht geschleimten Komplimenten springt mich dieses kleine doof an. Ganz einsam steht es da. Ganz dünn geschrieben, kaum zu lesen. Ich bin ganz gerührt.
Ich versuche, wirklich entsetzt zu gucken, und lese: »Cool, lustig und … doof. DOOF steht da! Ihr solltet doch was NETTES schreiben. Und jetzt steht da DOOF. MIT BLEISTIFT!« Ich gucke mich in der Klasse um.
»Wer hat denn mit Bleistift geschrieben, RONNIE?«
Ronnie kichert leise vor sich hin und versucht unauffällig, den Bleistift in seiner Hand zu verstecken. UNVERSCHÄMT. Und das ist auch noch MEIN Bleistift.
Als sie weg sind, gucke ich mir meinen Teller noch mal an. Doof . Das steht so zittrig zart in der Mitte. Irgendwie süß. Von allen nicht netten Begriffen, die mir einfallen, finde ich doof wirklich den allerschönsten.
It gives childrens she will become money
Ich habe die Englischarbeiten meiner Klasse korrigiert. Ging schnell, da die meisten Schüler die beiden Schreibaufgaben gar nicht bearbeitet hatten. Langer roter Strich über die leeren Zeilen, eine kleine Null vor die zehn Punkte: 0/10 P. Fertig. Mit jeder Arbeit, die ich zensiere, werde ich wütender. Warum lernen die nicht? Ich hatte alles, wirklich alles vorher angesagt. Zwei der Aufgaben haben wir sogar schon im Unterricht bearbeitet. Ich hatte gebetsmühlenartig wiederholt: »Diese Aufgabe kommt auf jeden Fall in der Arbeit dran.«
Und dann – am Tag der Englischarbeit: »Häääh? Arbeit? Heute? Ich dachte morgen.«
»Morgen haben wir gar kein Englisch.«
Bei einer Arbeit schreibe ich unter einen Text: Du MUSST mehr lernen, das ist schon fast
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