Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

währenddessen mein Kinder-Facebook. Wir klagen uns gegenseitig unser Leid. Wir verstehen nicht, wie sich unsere Schüler so wenig für ihre Zukunft interessieren können – also Schule, Schulabschluss, Ausbildung. Plötzlich macht es »plopp«, ein Chatfenster geht auf mit Fatmas Bild.
    Fatma: frau Freitag müssen sie nicht schon im bett liegen??
    Frau Freitag: Ja.
    Fatma: was hält sie auf?
    Frau Freitag: Meine Klasse.
    Fatma: hahahaha und wiesoo?
    Frau Freitag: Weil ich mich frage, welchen Abschluss du eigentlich verfolgst.
    Fatma: ehmm real
    Frau Freitag: Wie denn?
    Fatma: indem ich lerne und nicht zuspät komme hab ich eigendlich am montag vorgehabt
    Frau Freitag: Wann fängst du damit an? Meinst du nicht, dass du dir eigentlich was vormachst?
    Fatma: montag nächste woche versprochen kein schwänzen nur wenn es richtige gründe gibt. nein ich mach mir nichts vor ich weiß was ich tuhe
    Frau Freitag: Na, dann ist ja gut.
    Fatma: frau freitag ich hab eine frage haben seugetiere auch deren tage?
    Frau Freitag: Ist nur nicht mehr viel Zeit. Und ich würde mich an deiner Stelle ärgern, wenn ich meine Chance auf einen guten Abschluss so verkacken würde. Ach, zu deiner Frage: Ich glaube, ja. Ich hatte mal einen Freund, der hatte eine Dogge – einen großen Hund. Und die hatte ihre Tage, aber ich glaube, nicht so oft wie Menschen. Aber das musst du mal Frau Müller oder Herrn Werner fragen. Ich frage morgen auch mal nach. Interessiert mich auch.
    Fatma: versprochen nächste woche anstrengen kein schwänzen nur lernen und pünktlich sein/okay ich frag dann Herr werner hahaha Tiere bekommen auch tage hätte ich nicht gedacht HAHAH ja ich kann auch interessante fragen stellen
    Frau Freitag: Ja. Bis morgen. Kunst – 8.00 Uhr!!!
    Fatma: jaaa haben wir eig. ein neues thema?
    Frau Freitag: Morgen sollt ihr noch mal Blumen aquarellieren. So. Ich muss jetzt ins Bett. Bis morgen, meine Liebe.
    Fatma: asoo okayyy guttt okkay guten nacht
    Frau Freitag: Gute Nacht. Mach nicht mehr so lange.
    Fatma: oki ich geh auch gleich ins bett
    Frau Freitag: Tschüs.
    Als ich den Laptop ausschalte, fällt mir ein, dass ich ja eigentlich in der nächsten Kunststunde den Film zeigen will. Na ja, soll ja auch eine Überraschung werden.
    Is immer noch Deutschland, Frau Freitag?
    »Machen wir kein Kunst?«, fragt Fatma, während ich an dem Laptop rumfummele. »Nein, ich will euch heute einen Film zeigen.« Scheiße, wo ist das Netzkabel von dem blöden Gerät? Ah, da. Mist, warum geht der Film jetzt nicht? »Abdul, komm mal.«
    Abdul kommt, checkt und stellt fest: »Frau Freitag, Sie haben das als MP4 runtergeladen. Wir müssten jetzt aus dem Internet ein Programm downloaden.«
    Mist, Mist, Mist, scheiß Medienkompetenz – da war ich nun so froh, dass ich den Film überhaupt runtergeladen habe. Na ja, dann Plan B: Computerraumschlüssel holen, Abdul vorschicken, damit er den Beamer anschließt, dann alle rüber. Statt Aquarellmalerei gibt es heute Auf euch wartet keiner , vielleicht wachen meine Schüler dann endlich auf.
    »Ich habe neulich einen Film im Fernsehen gesehen, da dachte ich, der ist extra für euch gedreht worden. Den will ich euch jetzt zeigen. Film ab!«
    Alle gucken. Funda und Elif diskutieren, ob das singende Mädchen aus der ersten Szene arabisch oder türkisch ist. Ich werte das als ersten Identifikationserfolg. Dann, beim Gruppenfoto der Schüler, werden die Mädchen mit Kopftuch gezählt. Miriam fragt: »Ist das in Deutschland?« Miriam und viele andere können sich wahrscheinlich nur schwer vorstellen, dass die Welt hinter ihrer eigenen Straße und den angrenzenden Querstraßen tatsächlich noch weitergeht.
    Und dann: Auftritt »Die Schwebebahn«. Die von mir leider völlig unterschätzte Schwebebahn. Falls jemand den Film in seiner Klasse zeigen möchte, macht das so: »Ich zeige euch jetzt einen Film, und da kommt eine Schwebebahn drin vor.«
    Tafelanschrieb: die Schwebebahn.
    Vorwissen abfragen, dann erklären, warum die nicht runterfällt.
    Dann den Film an der Stelle anmachen, an der die Schwebebahn das erste Mal auftaucht, den Film anhalten und jeden Schüler etwas zur Schwebebahn sagen lassen.
    Wir sind mitten im Film, und plötzlich ein heilloses Durcheinander: »Aäääh, was das? Wieso fällt die nicht runter?«
    » Abo , niemals würde ich damit …«
    »Kenn ich, kenn ich, Frankfurt.«
    »Is immer noch Deutschland, Frau Freitag?«
    Dann kommt Ivan auf dem Weg zum Arbeitsamt. Im Film heißt es: »Ivan hat