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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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Patentanmeldungen pro Million Erwerbstätige. Beide Indikatoren beziehen sich auf die private Wirtschaft. 137 Das Gesamtbild ist überaus ernüchternd: Es gibt derzeit innerhalb Europas ein gewaltiges Gefälle in der Forschungsintensität der Produktion. Bei den Ausgaben für F&E, gewissermaßen der Inputgröße, ist das Gefälle dabei schon deutlich genug; bei den Patenten, also der „Outputgröße“, ist es dann noch dramatischer. Das Gefälle zeichnet dabei ziemlich gut den Produktivitätsvorsprung nach, den das westliche Zentrum (einschließlich Skandinaviens) noch immer gegenüber der geografischen Peripherie hat. Dies zeigt der Vergleich mit Schaubild 20 , das für das Jahr 2011 die Wertschöpfung pro Erwerbstätigen wiedergibt: Die Reihung der Länder ist im Wesentlichen die gleiche, wobei das östliche Mitteleuropa in der Produktivität noch immer insgesamt ein Stück zurückhängt, auch gegenüber dem Süden und Irland. Dies mag damit zusammenhängen, dass es dort noch immer Blasen der Bewertung gibt, die noch nicht ganz abgeschmolzen sind. Vor allem die Statistiken für Irland geben Rätsel auf.

    Das Gesamtbild der Daten lässt nur ein Fazit zu: Es gibt auch heute noch eine ganz tiefe Kluft in der Innovationskraft in Europa. Dabei fällt auf, dass die südliche Peripherie noch nicht einmal gegenüber dem östlichen Mitteleuropa einen substanziellen Vorsprung vorzuweisen hat. Länder wie Slowenien und Tschechien können sich danach durchaus mit Spanien in der Forschungsintensität messen. Offenbar hat der weit frühere EU-Beitritt der Länder der südlichen Peripherie nicht wirklich geholfen, eine innovationskräftige industrielle Basis aufzubauen. Im Gegenteil, der Anteil der verarbeitenden Industrie an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung liegt im Süden auch heute noch weit niedriger als in Deutschland ( Schaubild 21 ). Demgegenüber ist das östliche Mitteleuropa zwar hoch industrialisiert, aber offenbar in einer Form, die noch lange nicht die Forschungsintensität des Westens verspricht – wohl eine Spätfolge aus sozialistischen Zeiten. Es gibt also noch immer, was das Innovationspotenzial betrifft, einen tief gespaltenen Kontinent: In Südeuropa fehlt es dabei generell an Industrie, im Osten fehlt der Industrie die Innovationskraft.

    Ist der keltische Tiger wirklich gestrauchelt?
    Irlands Statistiken geben Rätsel auf
    Es war einer der dynamischsten Aufstiege, die es jemals in der Wirtschaftsgeschichte gegeben hat. Irland, ein „keltischer Tiger“, machte plötzlich gewaltige Sprünge nach vorne. Noch in den frühen 1980er-Jahren galt das Land als eine regenreiche, aber wunderschöne grüne Insel im Atlantik – mit vielen freundlichen, gebildeten Menschen, die gerne Gedichte schrieben und dazu ein Guinness tranken, die Schafe hüteten, Kartoffeln anbauten, Whiskey herstellten und sonntags zur (natürlich katholischen) Kirche gingen. Ein überaus sympathisches Land und Volk, aber für wirtschaftliches – und allemal industrielles – Wachstum eigentlich nicht geeignet, wie ja auch Jahrzehnte der Auswanderung von Iren nach Amerika und Großbritannien zu belegen schienen.
    Und dann dies: Ab Mitte der 1980er-Jahre ein Wachstumsspurt, der das Land schon um die Jahrtausendwende an die Spitze des Einkommenskegels in Europa katapultierte, mit höherer gesamtwirtschaftlicher Arbeitsproduktivität und höherem Pro-Kopf-Einkommen als Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und Schweden und gar nicht mehr weit entfernt von der superreichen Schweiz! Und dazu massenhafte Rückwanderung von Iren aus Amerika und England in ihr Heimatland und ebenso massenhafter Zuzug von Arbeitskräften aus Mitteleuropa, allen voran aus dem ebenfalls katholischen Polen. Was war geschehen?
    Die Antwort ist scheinbar einfach: Irland wurde zur Zielregion von industriellen Direktinvestitionen aus den Vereinigten Staaten und Europa, angelockt durch gut ausgebildete Arbeitskräfte vor Ort, eine mit EU-Hilfe ausgebaute Infrastruktur und niedrige Unternehmenssteuern. Eigentlich ein klassisches Erfolgsrezept, fast wie aus dem Lehrbuch. Tatsächlich erklärt das solide industrielle Wachstum einen guten Teil des irischen Aufholens, aber es erklärt eines nicht: das Überholen. Immerhin blieb die irische Wirtschaft, was ihre strukturellen Charakteristika betrifft, immer ein gutes Stück hinter den westeuropäischen Nachbarn auf dem Kontinent zurück. Niemals erreichte das Land jenes Niveau an industrieller

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