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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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kann. Dies gilt gleichermaßen für den Staat wie für die privaten Unternehmen (und auch die Bürger).
    Die derzeitige Lage in den Ländern der südlichen und westlichen Peripherie Europas ist ein Schulbeispiel für die Dramatik der Deflation: Überall ist die Folge der begonnenen Anpassung eine tiefe Rezession mit schrumpfendem BIP; überall ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, zum Teil sogar drastisch; überall geht die Preisinflation relativ zum Rest Europas zurück, werden Löhne gekürzt, sinkt der Lebensstandard. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede in dem, was man die gesamtwirtschaftliche Sanierungsdynamik nennen könnte: Dort, wo die staatliche Schuldenlast im Verhältnis zum BIP besonders hoch und die Integration in die Weltwirtschaft besonders gering ist, fällt die Anpassung besonders schwer. Der extremste Fall ist dabei Griechenland, denn der griechische Staat ist besonders hoch verschuldet und die griechische Wirtschaft ist mit einer Exportquote von unter 25 Prozent nur recht schwach in die Weltmärkte eingebunden. Nur jeder vierte verdiente Euro in Griechenland wird also im Ausland erwirtschaftet, was für ein kleines Land von gerade mal elf Millionen Einwohnern ungewöhnlich wenig ist. Um die Stabilisierung zu erreichen, bedarf es deshalb einer wahrhaft drakonischen Umsteuerung mit tief greifenden Reformen.
    Das Gegenstück zum griechischen Fall ist Irland. Seine Schuldenlast ist geringer, und vor allem ist die Integration der irischen Wirtschaft in die Weltmärkte unvergleichlich stärker. So wies das Land bis zur Weltfinanzkrise eine Exportquote von etwa 45 Prozent auf – dank einer über Jahre gewachsenen exportorientierten Industrie, die vor allem durch Direktinvestitionen aus den Vereinigten Staaten entstanden ist. Für Irland genügt deshalb, bildlich gesprochen, ein viel kleinerer Reformhebel als für Griechenland, um über die interne Deflation und den damit verbundenen Strukturwandel in den Zustand der Nachhaltigkeit zurückzukehren. Die anderen der am stärksten betroffenen Länder liegen irgendwo dazwischen: Portugal wohl relativ nahe an Griechenland, Spanien und Italien näher an Irland, zumal beide Länder über größere Binnenmärkte, aber auch über eine relativ große Industrie verfügen, deren Produktion langjährig im Weltmarkt integriert ist.
    Es ist überaus schwierig vorauszusagen, wie schnell und wie erfolgreich die betroffenen Länder den deflationären Reformprozess durchlaufen. Derzeit jedenfalls sieht es so aus, als würde nach Regierungswechseln in allen fünf Ländern der Weg mit bemerkenswerter politischer Entschlossenheit und Konsequenz beschritten, trotz aller Härten. Überall gilt der Weg als praktisch alternativlos. Selbst wenn man annimmt, dass am Ende des Weges die Stabilisierung gelingt, bleibt allerdings die Frage: Auf welchem Niveau des Pro-Kopf-Einkommens – verglichen mit dem westlichen Zentrum Europas – werden sich die Länder einpendeln? Derzeit ist die grobe Vermutung, dass im Wesentlichen das gesamte Ausmaß der entstandenen Schieflage der 2000er-Jahre korrigiert werden muss. Nimmt man dafür die Entwicklung der Lohnstückkosten relativ zu Deutschland als ungefähren Maßstab, so geht es mindestens um eine Größenordnung von etwa 30 Prozent. Damit wäre der gesamte „Fortschritt“ an Konvergenz von einem Jahrzehnt zunichtegemacht, oder genauer: als nicht nachhaltig revidiert. Dies allein ist schon höchst dramatisch.
    Causa Graeca:
    Über das Versagen Europas
    Es lohnt sich, sie zu lesen, die Berichte des Internationalen Währungsfonds (IWF) zum Stand der Reformen in Griechenland. Seit das Sorgenkind der Eurozone auch vom IWF massive finanzielle Unterstützung erhält, werden solche Berichte regelmäßig veröffentlicht. Diese machen den Ernst der Lage deutlich. Aber nicht nur das: Sie zeigen, wie breit und tief der Reformbedarf in Griechenland ist.
    Es gibt praktisch kein Gebiet des öffentlichen Lebens, in dem die griechische Nation nicht vor einem Berg von Hausaufgaben steht, die Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Anspruch nehmen werden. Die Reformen gehen dabei weit über die reine Frage der Konsolidierung öffentlicher Haushalte hinaus. Nötig sind unter anderem ein Umbau der Sozialversicherung, eine grundlegende Steuerreform, der Aufbau einer effektiven Steuerverwaltung und -fahndung, die Rekapitalisierung der Banken sowie die Privatisierung staatlicher Unternehmen. Hinzu kommen Liberalisierung des Arbeitsmarkts, Deregulierung von

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