Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
Ergebnis ihrer Sozialisierung einen besonderen Charakter hat. Es geht, schlagworthaft formuliert, um die Kinder der Globalisierung. Sie sind in einer Welt aufgewachsen, in der die globale Kommunikation über das Internet zu den Selbstverständlichkeiten des täglichen Lebens gehört, in der soziale Netzwerke wie Facebook einen natürlichen, völlig hindernisfreien Zugang zu einer offenen Welt gewährleisten und in der eine einzige Sprache verwendet wird: Englisch, oder genauer „Globish“, also jene drastisch vereinfachte Form des Englischen, die zu einer Art universellem Kommunikationsmedium geronnen ist. Den jungen Menschen dieser Generation fällt es im Durchschnitt psychologisch sehr viel leichter, Arbeit im Ausland zu suchen und zu finden als ihren Eltern und Großeltern. Kulturelle und sprachliche Barrieren haben für sie ein sehr viel geringeres Gewicht als für frühere Generationen.
„Globish“:
Das Latein der schönen neuen Welt
Schleichende Veränderungen werden oft in ihrer Bedeutung unterschätzt. Sie können auf evolutionärem Weg – fast unbemerkt von der Öffentlichkeit – revolutionäre Wirkungen entfalten. Irgendwann wacht dann die Gesellschaft auf und stellt fest: Es gibt kein Zurück mehr, wir leben in einer völlig neuen Welt, mit neuen Möglichkeiten, aber auch neuen Herausforderungen.
Eine solche Veränderung ist der Aufstieg des Englischen zur Sprache der globalisierten Welt. Wohlgemerkt: nicht das wortgewaltige Englisch Shakespeares, nicht das kultivierte Oxford English, nicht das bewusst nach dem Mutterland gestylte Englisch des Commonwealth und auch nicht ein gepflegtes Webster-Amerikanisch, sondern jenes flache, geradlinige, simple Englisch, das zu einem internationalen Medium der Kommunikation wurde, ohne dass sich irgendjemand mit einer besonderen Identität darum gekümmert hätte. Vielleicht ist „Globish“ wirklich die beste Bezeichnung dafür. Von George Bernard Shaw stammt der treffende Satz: „English is the easiest language to speak badly.“ Und genau dies macht es Abermillionen, vielleicht Milliarden von Menschen in der Welt so leicht, im World Wide Web oder sonst wo miteinander zu kommunizieren.
Es mag merkwürdig klingen, aber der Siegeszug von Globish hat Ähnlichkeiten mit der Dominanz, die bis in die frühe Neuzeit die lateinische Sprache im globalen Kreis der Gelehrten hatte. Alle lasen und schrieben in Latein. Die damalige weltweite Gemeinschaft der Gelehrten bediente sich dabei einer Sprache, die grammatisch und vom Wortschatz her recht einfach strukturiert ist. Über deren zentrale Regeln gab es keinen Streit, weil sie seit den Zeiten Ciceros fast eingefroren war. Manche bezeichneten später die Sprache als „tot“, aber das führt in die Irre, wie moderne Latinisten wie Jürgen Leonhardt und Wilfried Stroh betonen. Die Sprache war lediglich fixiert, kanonisiert oder standardisiert, aber sie wurde in der Gemeinde der Schriftgelehrten gerade deshalb gerne angewendet. Vielleicht lässt sich eines Tages prüfen, ob auch Globish eine solche „Fixierung“ erleben wird – in einer globalen Kultur der Kommunikation. Wahrscheinlich wird dies nicht so sein, und zwar aus einem simplen Grund: die Größe und die Zahl der „communities“, die Globish nutzen. Das sprengt dann doch alle Dimensionen, die Latein jemals erreichen konnte. Es sind eben heute nicht mehr nur die kleinen elitären Kreise hochgebildeter Intellektueller, um die es geht, sondern die Schwärme der Internet-User mit all ihrer Originalität, Fantasie und Vitalität, aber auch ihrer Ungeduld und Respektlosigkeit. Daraus kann Globish – ganz anders als Latein – eine kraftvolle Dynamik beziehen.
In dieser Dynamik schwimmt eine neue Generation junger Menschen ganz selbstverständlich mit, und zwar überall auf der Welt, und allemal im gesamten Europa. Diese Generation hat eine globale Sprache gefunden, mit der auch viele gemeinsame kulturelle und soziale Ausdrucksformen verknüpft sind. Das beobachtet man längst an allen Universitäten der Welt, die zu englischsprachigen Lehrprogrammen übergegangen sind, völlig unabhängig davon, was die Muttersprache des Landes ist und wo die Hochschule ihren Sitz hat. Die jungen Menschen wachsen in einem globalisierten Fluidum auf, das ihnen ein Höchstmaß an Mobilität gewährt. Sie können mühelos im Ausland leben – ohne Kultur- und Sprachschock, ohne schwere innere Konflikte, ohne all die traditionellen Barrieren, die noch bis in die 1980er-Jahre
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