Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
längerfristige Ausrichtung der staatlichen Finanzpolitik, jedenfalls seit den jüngsten politischen Weichenstellungen. So ist in Deutschland durch die Föderalismusreform II eine Schuldenbremse in das Grundgesetz eingeführt worden – mit der Folge, dass ab 2020 die Nettokreditaufnahme in den Ländern bei null und im Bund bei maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen darf. Wird die Schuldenbremse eingehalten – und danach sieht es derzeit tatsächlich aus –, kommen staatliche Defizite („deficit spending“) außer in konjunkturellen Extremsituationen zur Regulierung staatlicher Nachfrageimpulse nicht mehr infrage. Und damit entfällt auch der expansive Impuls für die Peripherie Europas.
In jedem Fall bleiben Impulse der gesamtwirtschaftlichen Ausgaben – ob über den privaten Konsum, die Investitionen oder die Staatsausgaben – auf die Nachfrageseite beschränkt. Sie schaffen von daher für die Volkswirtschaften der Peripherie zwar eine Chance zum Wachstum, lassen aber völlig offen, ob diese durch Expansion des Angebots auch genutzt werden kann. Es geht letztlich darum, ob das gesamtwirtschaftliche Angebot darauf „elastisch“ reagiert. Dies gilt vor allem für die Produktion weltmarktfähiger innovativer Waren und Dienstleistungen, die allein einen Prozess des nachhaltigen pfadabhängigen Wachstums initiieren kann. Ist diese Elastizität der Wirtschaft nicht da, droht auch der Impuls der Importnachfrage aus Deutschland letztlich das Wachstum an anderer Stelle zu begünstigen: zum einen im nichteuropäischen Ausland, wo je nach Marktsegment vor allem Nordamerika und Asien profitieren würden, zum anderen sogar in Deutschland selbst, wo der wirtschaftliche Druck auf Erweiterungen der industriellen Kapazitäten zunähme und weitere Zuwanderungen von Fachkräften aus der Peripherie induzieren würde. Es entstünde dann sogar die paradoxe Situation, dass ausgerechnet der Nachfrageboom im westlichen Zentrum Europas das Ausbluten der Peripherie langfristig noch weiter anheizt.
Geboten ist also mit hoher Priorität der Ausbau innovativer, wettbewerbsfähiger Industrien in der Peripherie selbst. Dazu müssen in den betroffenen Ländern der Peripherie all jene Reformanstrengungen fortgesetzt werden, die längst angelegt oder gerade beschlossen wurden – zum Aufbau einer effizienten Verwaltung, zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes und zur Beseitigung von sonstigen Hemmnissen, die den Standort für industrielle Produktion und Investitionen qualitativ verschlechtern. Vieles davon ist in Mittel- und Osteuropa schon im Laufe der beiden letzten Jahrzehnte geschehen; in den Ländern der südlichen Peripherie geschieht es jetzt oder in naher Zukunft, im Zuge und als positive Folge der Schuldenkrise.
Hinzu kommt das Arsenal regionalpolitischer Instrumente der Europäischen Union, die schon bisher zum Einsatz kamen. Reicht das? Große Zweifel sind angebracht. Dies liegt nicht in erster Linie am quantitativen Volumen der Programme. Immerhin macht die Regionalförderung seit einigen Jahren mehr als ein Drittel des gesamten EU-Haushalts aus. Sie wird dabei nur noch vom Ressort Landwirtschaft und Umwelt übertroffen, dem traditionell stärksten Politikfeld, das noch immer über 40 Prozent der EU-Ausgaben umfasst. In absoluten Zahlen bedeutet ein Drittel des Haushalts fast 50 Milliarden Euro im Jahr, also etwa in der Größenordnung von 0,4 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Europäischen Union (und 20 Prozent des BIP Österreichs). Das ist für ein internationales Unterstützungsprogramm nicht wenig. So belief sich selbst das Volumen des berühmten Marshall-Plans auf nicht mehr als 2,1 Prozent des BIP aller 15 Empfängerländer, in Deutschland sogar nur 1,4 Prozent, und dies auch nur innerhalb eines sechsjährigen Förderzeitraums von 1948 bis 1953. 148 Gemessen an den Transfers, die via Finanzausgleich innerhalb hoch entwickelter Industrieländer üblich sind, hat die EU-Regionalpolitik allerdings eine eher bescheidene Größenordnung. Dies gilt insbesondere im Vergleich zum Länderfinanzausgleich, der regionalen Zuordnung und Umverteilung von Steuereinnahmen sowie der Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur im föderal organisierten Deutschland, die zusammen als Anteil des Bruttoinlandsprodukts ein Vielfaches dessen ausmachen, was in der Europäischen Union für regionalpolitische Zwecke ausgegeben wird. 149
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