Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder
Modewellen. So galten Größenvorteile – „economies of scale“ – in der Blütezeit des Werkstorkapitalismus als eine natürliche Charakteristik der industriellen Produktionstechnik und -organisation. Sie ließen sich ja auch überall beobachten: Ob im Maschinenbau oder in der Elektrotechnik, ob in der Automobil- oder in der Chemiebranche, überall wuchsen bis in die 1970er-Jahre Großunternehmen heran, die offensichtlich durch Einsatz riesiger Maschinenparks mit modernster Technik die Möglichkeiten der Massenproduktion in großen Werkshallen voll ausnutzten.
Irgendwann in den frühen 1980er-Jahren begann sich dieses Bild spürbar zu verändern. Die beiden Ölpreisschocks hatten die Großindustrie besonders hart getroffen. Gleichzeitig erlaubte die neue Computertechnik das kostengünstige Arbeiten in kleineren Einheiten, zunächst an den Bildschirmen von PCs und später dann voll vernetzt im World Wide Web. Die zunehmende Bedeutung produktionsbezogener Dienstleistungen tat ein Übriges: Diese konnten in kleineren Office-Einheiten erstellt werden, ohne Rückgriff auf große Maschinenparks. Die Management-Gurus reagierten. Ihre Schlagworte lauteten nun: Konzentration auf Kernkompetenzen und „Outsourcing“ von Zulieferleistungen. Daraus entstand eine Art positive Ideologie der Kleinheit, mit dem klein- und mittelständischen Betrieb als dem wahren Träger der technologischen Führerschaft – ganz im Geiste jenes viel gelesenen Buches mit dem Titel Small is Beautiful , das der britische Ökonom E. F. Schumacher bereits 1973 veröffentlicht hatte.
Diese Modewelle beherrscht auch heute noch viele Köpfe, auch wenn einige wichtige und bekannte Fakten des volkswirtschaftlichen Wachstums doch sehr nachdenklich stimmen sollten. So ist in Deutschland nach einhelliger Meinung der ökonomischen Fachwelt eine der großen Schwächen der (postsozialistischen) ostdeutschen Wirtschaft ihre Betriebsgrößenstruktur. Es gibt dort in Industrie, Handwerk und Dienstleistungen zu viele Klein- und Kleinstunternehmen, und die erreichen im Durchschnitt der jeweiligen Branchen und der Volkswirtschaft doch nicht die Arbeitsproduktivität und Innovationskraft der größeren Einheiten des Westens. Ähnliches beobachten wir in Süd- und Mitteleuropa: Auch dort gibt es – Branche für Branche – weniger große Betriebe als im westlichen Zentrum Europas. Selbst der viel gerühmte „Mittelstand“ der süddeutschen Industrie in Baden-Württemberg und Bayern erweist sich dagegen doch als recht großteilig. Ein typischer Mittelständler hat dort oft ein paar Hundert Mitarbeiter.
Wissenschaftlich ist wohl ein neuerliches Umdenken nötig, diesmal hin zu einem differenzierten Blick auf die Firmengröße. Man muss eben genau zwischen verschiedenen Arten von „klein“ unterscheiden. Jene Unternehmen, die klein sind und klein bleiben, sind oft nicht besonders innovativ. Ihnen gelingt es häufig auch nicht, Auslandsmärkte zu erobern. Und diejenigen, denen das gelingt, bleiben zumeist gerade nicht klein, sondern wachsen in eine für den Mittelstand beachtliche Größenordnung hinein. Dies zeigen empirische Untersuchungen zur „Heterogenität von Firmen“ auf Auslands- und Inlandsmärkten. Immer wieder schält sich dabei das Muster heraus, dass sich die Welt der kleinen jungen Unternehmen über die Zeit aufspaltet: in jene, die es schaffen, größer zu werden und in die Weltmärkte hineinzuwachsen; und jene, die es nicht schaffen, klein bleiben und sich auf lokale, regionale und nationale Märkte beschränken. Die erste Gruppe ist dabei sehr innovativ, die zweite weit weniger oder gar nicht.
Nicht immer heißt also klein auch fein. Diese Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen für die Industriepolitik: Wer die Innovations- und Exportkraft einer Industrie und einer Region fördern will, der sollte sich vor diskriminierenden Vergünstigungen für Kleinunternehmen hüten. Er sollte jedenfalls zunächst einen Seitenblick auf das Alter eines Unternehmens werfen: Wer selbst nach Jahrzehnten der unternehmerischen Existenz noch immer klein ist, der muss nicht auch noch dafür belohnt werden.
Unstrittig ist, dass die EU-Regionalpolitik in den Ländern der Peripherie auch heute schon einen substanziellen Anteil der Wirtschaftsförderung ausmacht. Dies gilt für Mittel- und Osteuropa genauso wie für die südliche und westliche Peripherie und in den vergangenen beiden Jahrzehnten auch den Osten Deutschlands. Auch subjektiv wird die Förderung von
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