Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
Betriebsrat von Porsche genoss ich ein gewisses Ansehen und vor allem Vertrauen. Ich ließ die Behörden wissen, dass ich mich in der Lage sah, bestimmte Probleme von Mitgliedern meiner Thaiboxgruppe selbst zu lösen. Nur bei größeren, strafrelevanten Problemen beabsichtigte ich, die Hilfe der Polizei in Anspruch nehmen. In Pforzheim und Umgebung gab es einige, die im Besitz von Waffen waren. Ich wollte, dass die Jungs ihre Waffen abgaben und erwartete im Gegenzug Straffreiheit von den Behörden. Sonst wäre wohl keiner der Jungs meinem Plan gefolgt. Wie hätte ich denn auch diese Jugendlichen weiter in die Gesellschaft integrieren können, wenn sie wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt worden wären? Aktionen wie diese förderten das Vertrauen auf beiden Seiten. Ein Vertrauen, das ich danach bei jeder Trainingseinheit in der Halle spürte. Das Vertrauen, das sie mir entgegenbrachten, ließ ihre Bereitschaft wachsen, sich im Training zu quälen. Sie folgten mir. Die Gruppe wurde größer, zu den vielen russischen Spätaussiedlern kamen jetztauch andere Nationalitäten. Meine beiden Söhne bildeten bereits die vietnamesische Fraktion. Auf dem Haidach sprach sich herum, dass es bei uns um mehr ging als Sport. Hier, in unserer kleinen Halle, konnten sie bei jedem Training eine Portion Selbstwertgefühl mitnehmen. Bevor dieses Kapitel jetzt aber in den Verdacht gerät, in einen sozialromantischen Kitschroman abzugleiten: In all den Jahren hat es auch Probleme gegeben. Es wäre naiv von mir gewesen zu glauben, dass ein paar Trainingseinheiten gereicht hätten, um aus den schweren Jungs eines nicht ganz einfachen Viertels liebevolle Mitglieder einer verantwortungsbewussten Gesellschaft zu machen.
Einmal hörte ich davon, dass ein paar Tage zuvor wieder ein Auto gestohlen worden war. Es war nichts Ungewöhnliches damals, ebenso die Tatsache, dass die Marke Audi besonders hoch im Kurs stand. Vor allem die 80er- und 100er-Modelle aus Ingolstadt begeisterten. Ich hörte, dass einer, den ich kannte, den Diebstahl begangen hatte. Er war nicht verpfiffen worden, aber genug Menschen in meinem Umfeld hielten mich auf dem Laufenden. Ich ließ den jungen Mann kommen und wir regelten die Sache auf meine Weise. Ich kann heute jeden verstehen, der mir in dieser Situation eine Verletzung meiner staatsbürgerlichen Pflichten nachsagt. Es stimmt, ich hätte den Straftäter der Polizei übergeben müssen, doch ich entschied mich für den anderen Weg. Fragen Sie mich nicht, was ich mit dem Autodieb gemacht habe! Ich kann Ihnen nur soviel sagen: Ein Auto wird er nicht mehr stehlen und den Schaden haben wir sehr gering gehalten. Für problematischere Fälle – und davon gab es einige – konnte ich Juristen als Rechtsbeistände gewinnen. Körperverletzung, Raub, Drogen: Selten waren die Menschen begeistert, die Fälle meiner Problemkinder zu übernehmen, denn einHonorar gab es nie. Nur ein Dankeschön, wenn wieder mal einer vor einer Gefängnisstrafe bewahrt wurde und die Sache glimpflich endete. Ich wollte die Rabauken lieber draußen als im Knast haben, denn hier hatte ich mehr Kontrolle über sie. Ich bin immer wieder verblüfft, wie viele Menschen helfen können, wenn man es ihnen nur entschlossen nahelegt. Bei meiner ehrenamtlichen Tätigkeit mit den Jugendlichen versuche ich Selbstbewusstsein zu vermitteln, ohne das nötige Pflichtbewusstsein auszublenden. Ich will ihnen helfen, aufrecht durchs Leben zu gehen, aber ich stelle Bedingungen. Ich zwinge sie, sich mit dem deutschen Grundgesetz zu befassen. Wenn sie die Säulen unserer Verfassung verstanden haben und diese akzeptieren, wenn sie Deutsch lernen und ihre Sprachkenntnisse verbessern, dann werden sie Chancen haben, ihr Leben nach ihren Vorstellungen und Wünschen zu gestalten. Ich bin kein Verfechter einer deutschen Leitkultur, aber bei mir wird Deutsch gesprochen! Ich sage es ihnen immer wieder, denn ich glaube fest daran, dass es jeder in Deutschland packen kann, ob Heimkind, Migrant oder Aussiedler. Ich kämpfe mit ihnen, damit sie wegkommen von der Vergangenheit, die für viele problematisch war. Gerade neulich erst kam wieder ein Junge zu mir, der kurz zuvor einen Einbruch verübt hatte. »Was hast du angestellt?«, wollte ich von ihm wissen. »Ich war in einem Kiosk«, antwortete er kleinlaut. »Ja und?« »Der Kiosk war zu!« Vier kurze und ebenso knappe Sätze und er hatte seinen Einbruch zugegeben.
Den größten Stolz empfinde ich, wenn es wieder einmal heißt:
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